Von Joachim G. Pinkawa Weil am Rhein. „Schlagfertig, intelligent, böse, Holtmann.“ So wurde er einmal charakterisiert. Matthias Holtmann, dessen vertraute Stimme auf SWR 1 zu hören ist, wenn er die Sendung „Guten Abend Baden-Württemberg“ moderiert. Er ist seit langem ein Radio-Star. So war es nicht verwunderlich, dass die Buchhandlung Müller bis auf den letzten verfügbaren Quadratmeter mit Gästen gefüllt war, die Holtmann und seine vertraute Stimme einmal personifiziert erleben wollten. Holtmann erzählte Passagen aus seinem im Frühjahr erschienenen Buch „Porsche, Pop und Parkinson“ und damit aus seinem Leben. Die drei Begriffe des Titels weisen bereits auf ein schillernd-bewegtes, gehörig intensives, rasantes und erzählenswertes Leben hin, und die „Kultstimme des Südens“ konnte das in unnachahmlich und typisch trocken-witziger, ironisch-selbstironischer Manier dokumentieren. Selbst wenn Holtmann von seiner 2006 diagnostizierten Parkinsonerkrankung spricht, klingt das nicht nach Hadern mit dem Schicksal: „Ich merkte sehr bald, dass Parkinson im Bewusstsein und in der Wahrnehmung der Gesellschaft negativ besetzt ist. Die Krankheit betrifft das Stammhirn. Das Denken und das Gedächtnis sind nicht betroffen. Nie! Trotzdem schauen einen die Leute an, als wäre man bekloppt. Es bringt nichts, sich in der Bude zu verstecken und sich schon morgens eine Sülze aus Selbstmitleid aufzukochen. Morbus Parkinson hat bei mir dazu geführt, dass die Muskeln zur Verhärtung neigen. Meine Haltung hat sich dadurch verändert und meine Mimik ist starr geworden“, beschrieb er kühl sein Krankheitsbild und relativierte die Folgen für sich an den positiven Folgen dieser Krankheit: „Ich besorgte mir erst einmal einen Behindertenausweis und kaufte mir ein neues Auto, einen Dodge Challenger SRT/8. Mit dem Ausweis kann ich überall parken. Zu irgendwas muss die Scheiß-Krankheit auch gut sein“, konstatiert der 1950 in Kamen geborene Radio-Freak und versetzt mit dieser ungebrochenen Zuversicht das Publikum in Erstaunen. Die Episoden aus Kindheit, Jugend und einzelnen Lebensabschnitten lassen die Zuhörer gleichsam einen „Roadmovie“ erleben, denn in Holtmanns Leben ging es meist richtig zur Sache. Er vermittelte, wie in seinem Buch auch, die Eindrücke eines Lebens auf der Überholspur, immer mit reichlich „PS unterm Hintern“, aber irgendwann ausgebremst durch die Krankheit. „Ich kann zwar nicht mehr so gut Mikado spielen, aber an guten Tagen schaffe ich noch heute die Nordschleife des Nürburgrings in acht oder neun Minuten“, definiert Holtmann seine Lebensphilosophie leicht verändert. Der Erfinder und Regisseur von „Pop & Poesie in Concert"“, der SWR-Show, in der Songtexte übersetzt, inszeniert und live vor Publikum gespielt werden, intonierte am Keyboard Janis Joplins „Lord won’t you buy me“ und gab die eigentlich richtige Text- und Übersetzungsversion zum Besten. Die Zuhörer erfuhren über die „Kraft des gesprochenen Wortes“ aus dem Radio und der Verantwortung daraus für die Radiomacher. Den Zuhörern demonstrierte Holtmann anhand weniger Beispiele auch die Wirkung von Radiowerbung, bei der ja angeblich alle abschalten, aber trotzdem bereits auf ein Stichwort in der Lage sind, den Spot zu vervollständigen. Erinnerungen, Glücksmomente, Niederlagen und Visionen schilderte die Medienpersönlichkeit, die ganze Generationen über das Radio begleitet hat, in offener bis schonungsloser Nabelschau und nahm dadurch ein deutlich konturiertes Profil an, das den Menschen hinter der Stimme greifbar werden ließ. In Interviews und Begegnungen mit Rock- und Popstars, in Testfahrten auf rasanten Rennstrecken, in vielfältigen Comedy-Rollen und Vorträgen durchaus auch ernsthafter Art steckte der Stoff für das spannende Drehbuch dieser „Live-Doku“. Gerade durch den offenen Umgang mit seinen eignen Schicksalsschlägen waren Matthias Holtmanns Erzählungen mehr als nur Ausschnitte aus einer Promi-Biografie und verbreiteten bei den Zuhörern neben der Heiterkeit auch Nachdenklichkeit und Zuversicht. Holtmann über Holtmann ist authentisch und unverfärbt, geschrieben oder erzählt, so wie man ihn eben aus dem Radio zu kennen glaubt.