Weil am Rhein Glücksspiel bringt wenig Glück

Weiler Zeitung
Glücksspiel ist in Weil am Rhein weit verbreitet. Foto: sba Foto: Weiler Zeitung

Sucht: Viele Franzosen und Schweizer an Weiler Automaten / Alterskontrolle ist ein Knackpunkt

Von Marco Fraune

Die Grenzlage von Weil am Rhein und die unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz sorgen dafür, dass es in Friedlingen eine hohe Dichte an Spielhallen gibt. Das Automatenspiel ist dabei der „Hauptspielplatz“, die Live-Sportwetten werden zugleich beliebter.

Weil am Rhein. Schlaglichter auf diese Entwicklungen und vor allem die damit verbundenen Auswirkungen auf die Spieler und deren Angehörige hat Rebekka Steimle, Leiterin der Fachstelle Sucht im Landkreis, im Kultur-, Sport- und Verwaltungsausschuss geliefert.

Mehr Spielsüchtige im Dreiländereck

Dabei zeigte sie, dass das Problemfeld Glücksspiel in ihrer Fachstelle, die im Rheincenter ein Beratungszentrum betreibt, im Dreiländereck einen höheren Stellenwert einnimmt. Während im bundesweiten Trend der Anteil der Beratungen zum Thema Glücksspiel sechs bis acht Prozent beträgt, sind es hier zwölf Prozent. 76 Prozent der Beratungen drehen sich um Alkohol, zehn Prozent um die Beratung von Angehörigen, da pro Süchtigem drei bis fünf Personen betroffen sind.

„Die Glücksspielproblematik nimmt eindeutig zu. Es ist die am stärksten wachsende Gruppe“, ist Steimle wenig optimistisch für die Zukunft. Die Hälfte der Hilfesuchenden könne mit präventiven Angeboten noch auf den richtigen Weg geführt werden, bei der anderen Hälfte liegt nicht nur eine problematische, sondern schon eine behandlungsbedürftige Abhängigkeit vor.

Glücksspiel beginnt häufig in Gaststätten

Im Gegensatz zu Alkoholsüchtigen, bei denen sich die Persönlichkeit schneller verändert, tritt die Spielsucht erst später zu Tage. Steimle: „Die Spielsucht lässt sich sehr gut verbergen.“ Doch dafür gebe es einen guten Schnitt, wo was zu erreichen sei.

Die Betroffenen seien im Schnitt deutlich jünger und der Anteil der Spielsüchtigen weise einen höheren Migrationsanteil auf. Oft beginnt in Gaststätten das Glücksspiel für die später Unglücklichen. „Der Jugendschutz und die Alterskontrolle funktionieren sehr eingeschränkt“, kritisiert die Expertin.

Spieler aus Frankreich und der Schweiz

Als „Aufgabe, die sich Ihnen stellt“, bezeichnete Steimle die Weiler Besonderheiten, also die hohe Dichte an Spielhallen in Friedlingen, die soziodemografischen Strukturen sowie die Grenzlage, womit überwiegend Kunden aus Frankreich und der Schweiz in Weil ihr Glück am Automaten suchen.

Mit gesetzlichen Vorgaben wie Bestandsregelungen, personenbezogenen Maßnahmen, wie dass sich Spieler sperren lassen, und dem Jugendschutz, also Alterskontrollen, müsse ein Spielschutz erfolgen, erklärte die Beratungsstellenleiterin. Präventiv setzt sie auf Schulungen, Präventionsangebote durch die Villa Schöpflin bei Jugendlichen sowie einer Bewusstseinssensibilisierung. Politik und Verwaltung seien gefordert bei der restriktiven Erteilung von Betriebsbewilligungen, der politischen Willensbildung („das Thema nicht verharmlosen“) sowie der kommunalen Verwendung der Vergnügungssteuer. „Es geht um finanzielle Interessen.“

Einschätzung durch Politik und Stadt

Mit ihren Forderungen stieß Steimle auf offene Ohren bei Politik und Verwaltung. CDU-Fraktionschef Claus Weibezahl weiß aus seiner früheren Tätigkeit als Weiler Polizeiwachenleiter, dass aufgrund der anderen gesetzlichen Regelungen in den beiden Nachbarländern deren Spieler nach Weil zum Spielen fahren. Wichtig sei, dass die Spielregeln geändert werden. Doch: „Jeder hat Angst, er kommt in Regress.“

Viele Spieler würden kommen, da auf deutscher Seite nur eine kurze Sperrstunde gelte, berichtete Andreas Rühle. „Es ist attraktiver, bei uns zu spielen.“ Hier müsse der Hebel angesetzt werden. Zudem sei es schwer, präventiv hier tätig zu werden.

Für Jugendliche gibt es zumindest das Projekt „Joker“ von der Villa Schöpflin. Diese hat auch schon einen Mitarbeiter des Weiler Jugendzentrums entsprechend geschult. „Das funktioniert gut“, findet Villa-Schöpflin-Geschäftsführer Peter Eichin.

Bald sollen auch beispielsweise Döner-Buden-Betreiber angesprochen und für den Jugendschutz stärker sensibilisiert werden.

Erst einmal würden die Jugendlichen spielen, um zu gewinnen, doch irgendwann kippe es. „Dann wollen die abschalten und in eine andere Welt abtauchen.“

Gesamtgesellschaftlich bewertete OB Wolfgang Dietz das Thema Glücksspiel. So sei man im gesellschaftlichen Reparaturbetrieb unterwegs. „Mit den Mitteln, die wir vor Ort haben, sind wir aber mit Penaten-Creme unterwegs nicht im Operationsbereich.“

Nicht unerhebliche Einnahmen für die Stadt

Dass die Stadt finanziell über die Vergnügungssteuer stark profitiert, stellte der OB nicht in Abrede. „Die Einnahmen sind nicht unerheblich.“ Doch die Stadt sei so aufgestellt, dass man nicht zwingend auf das Geld angewiesen sei. Daher sei die Steuer auch so ausgelegt, um abschreckend zu wirken, also dass nicht noch mehr Spielstätten öffnen. Rühle schlug vor, noch mehr Geld in Präventionsmaßnahmen zu stecken. Auch Eugen Katzenstein (UFW) meinte: „Wir werden immer auf dem Modus reparieren laufen.“ Daher sei Prävention enorm wichtig.

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