Von Jasmin Soltani Weil am Rhein. Eine Binsenjungfer schwirrt vorbei, Schmetterlinge saugen Nektar aus dem blühenden Blutweiderich, ein Frosch springt in den Schatten, irgendwo klopft sich ein Specht das Mittagessen aus einem Baum: Wie eine Oase liegt das Naturschutzgebiet „Kiesgrube Käppelin“ östlich des Weiler Dreiländergartens – ein Lebensraum für zahlreiche, zum Teil vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Besucher können ihn auf einem informativen, vom Trinationalen Umweltzentrum angelegten Lehrpfad durchstreifen –  überraschende Beobachtungen inklusive. Baggerschaufeln und anderes schweres Gerät haben die Landschaft geformt, in der die Wiese und der Rhein über Jahrtausende hinweg ihre Sedimente abgelagert hatten. Der lukrative Kiesabbau, der in den 1990er Jahren zu Ende ging, schuf ein Mosaik wertvoller, verschiedenartiger Biotope, in denen sich Vogel- und Amphibienarten, Libellen, Heuschrecken und Schmetterlinge, aber auch Feldhasen, Dachse, Rehe und Füchse wohlfühlen. Schotterflächen und offene Kiesböden mit periodisch trockenfallenden Tümpeln wechseln sich mit blühenden Wiesenflächen und Brachen sowie Waldflächen ab: ein Ersatzbiotop für die durch Rheinbegradigung und andere Flussbaumaßnahmen weggefallenen natürlichen Schotterflächen des Rheins, das auch seltene Zugvögel gerne zur Rast oder zur Überwinterung nutzen. Besucherpfad Nicht alle Bereiche dieses knapp 22 Hektar großen Naturschutzgebiets, das vom Trinationalen Umweltzentrum (Truz) im Auftrag des Regierungspräsidiums Freiburg betreut und mit Hilfe von Ehrenamtlichen gepflegt wird, sind öffentlich zugänglich. Aber der Besucherpfad im Süden des Areals führt durch weitläufige Brachen, entlang einer artenreichen Wiese und vorbei an zwei Weihern mit Seerosen und Rohrkolben, in denen mit etwas Glück Berg- und Fadenmolche, Kreuzkröten und Wasserfrösche beobachtet werden können. Auch die strenggeschützte, weil auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehende Gelbbauchunke, laicht gerne in der Kiesgrube, weiß Truz-Mitarbeiter Frank Maike, der seit Ende 2014 als Reservatsbeauftragter fungiert. Je nach Jahreszeit kann man sich zudem am Gesang von Singvögeln erfreuen oder brü-tende Vogelarten beobachten. Pirol, Nachtigall, Spechtarten und die Mönchgrasmücke bilden stabile Populationen, er-läutert Fritz Raschdorf, der jahrzehntelang die Kiesgrube beobachtet und mitbetreut hat und sich stark dafür eingesetzt hat, dass sie unter Naturschutz gestellt wurde. Umso mehr bereitet ihm nun Sorge, dass  manche Singvögel wegen der  industriellen Netzfangmethoden an der südlichen Mittelmeerküste den Weg aus Afrika zurück nicht mehr schaffen. „Garten- und Dorngrasmücke sind verschwunden, der Sumpfrohrsänger nur noch selten anzutreffen“, bedauert er. Aber das Naturschutzgebiet ist immer wieder gut für Überraschungen, erzählt Alexander Uecker, einer der Ehrenamtlichen. Fast täglich ist er auf dem Areal unterwegs. So sei ihm zuletzt einer der selten gewordenen Feldhasen mitten auf dem Weg entgegengelaufen. Begeistert hat ihn auch eine Ameisenspinne, die ihre beiden vorderen Beine wie Fühler hochstreckt. Zurück zum Besucherweg: Insgesamt elf Schautafeln erläutern die Entstehung der diversen Flächen, informieren über die Herkunft der Steine, die im Gebiet anzutreffen sind sowie über artenreiche Flora und Fauna. Neu hinzugekommen sind vor wenigen Wochen vier von Alexander Uecker gestaltete Tafeln zu den vielen großen und kleinen seltenen Libellenarten im Naturschutzgebiet. Auch über manch trickreichen Evolutionsprozess werden Besucher aufgeklärt. Zum Beispiel darüber, dass die Raupe des Schmetterlings Blutbär (Tyria jakobaeae) unbeschadet das für Pferde und Kühe giftige Jakobskreuzkraut aufnehmen kann und sich so vor Fressfeinden schützt. Aufwändige Pflege Was auf den Infotafeln nicht steht: Knochenarbeit  ist es, das von Menschenhand geschaffene Idyll mitten im Ballungsraum zu erhalten. „Das ist keine Natur, die sich selbst überlassen werden kann“, betont Frank Maike. Büsche und Bäume würden ohne Pflegemaßnahmen bald die offenen Flächen einnehmen. Wertvolle Brutplätze würden verschwinden, die Tümpel verlanden, das wohldefinierte Schutzziel, die charakteristische Vielfalt des Trockengebiets ginge verloren. Die Pflege ist vor allem Handarbeit, obschon das Regierungspräsidium zuweilen mit Maschineneinsatz nachhilft, erläutert Dr. Astrid Deek. Sie leitet beim Truz den Fachbereich Grenzüberschreitender Naturschutz und packt selber oft kräftig mit an. Nicht zu schaffen aber wäre die Arbeit ohne die ehrenamtlichen Helfer, die das Artenaufkommen dokumentieren und in regelmäßigen Abständen mit dem Pflegetrupp des Truz unterwegs sind, um Schösslinge von Pappeln, Weiden und Kiefern zu entfernen, zugewanderte Arten wie die Kanadische Goldrute im Zaun zu halten oder Wasser in den Folienteichen nachzufüllen. Zudem muss bei jedem Pflegeeingriff das Schutzziel im Auge behalten werden: Für manche Amphibien ist es gut, wenn Tümpel trockenfallen, Libellenlarven aber brauchen Wasser. Auf der Wiese nimmt der Klappertopf überhand, aber er ist eine gute Futterpflanze für Hummeln. Und bevor ein Landwirt nach der Mahd der extensiven Wiese zehn Heuballen à 300 Kilo für die Elefanten des Balser Zoos pressen konnte, musste das giftige Jakobskreuzkraut mühsam per Hand entfernt werden. „Es ist eben extrem schwer, so ein Schutzgebiet zu erhalten“, resümiert Maike.