Von Monika Merstetter Weil am Rhein. Alle zwei Jahre ist es für Manfred Diebold wie ein Heimkommen, wenn er einen Besuch in der Heimat macht und über den Vitra-Campus schlendert. Es ist alles so schön hier geworden, sagt der Neukanadier, der dieses Jahr noch seinen 80. Geburtstag feiern wird und der von 1962 bis 1988 bei der Vitra als Leiter der Abteilung Kunststoffe maßgeblich an der Serienreife des weltberühmten Panton-Chairs Anteil hatte. Er hat ein brillantes Gedächtnis, und es ist eine Freude ihm zuzuhören, wenn er aus seinem Berufsleben erzählt. Für den jungen Werkzeugmacher waren zur damaligen Zeit während seiner Lehre bei der Firma Raymond Kunststoffe überhaupt noch kein Thema. Als die Firma Vitra einen Werkzeugmacher suchte, fand das Einstellungsgespräch mit dem damaligen Inhaber um 22 Uhr statt, anschließend fuhren sie zur Besichtigung der Arbeitsstätte in Birsfelden und um Mitternacht war der Arbeitsvertrag unter Dach und Fach. Da Manfred Diebold ein besonderes Talent zum Lösen von kniffligen Problemen hatte, baute er die Abteilung Produktrealisierung auf. Zu Beginn wurde hauptsächlich Dekorationsmaterial aus Plexiglas hergestellt. Er erinnert sich noch sehr gut daran, wie er zusammen mit Willi und Rolf Fehlbaum zu Verner Panton reiste, und dieser ihnen seinen ersten Prototypen, einen nicht sitztauglichen freischwingenden Stuhl aus Polystyrol, vorstellte, der noch ein ganzes Stück weit weg war von dem darauf folgenden und heute weltweit bekannten Designerstuhl. Anschließende wurde Manfred Diebold in eine amerikanische Firma geschickt, um Maschinen kennenzulernen, mit denen eine Produktionsstraße im Weiler Werk eingerichtet werden konnte. Das war aber noch keine vollautomatische Straße, sondern eine mit viel Ideengeist ausgestattete Produktion. Es folgte für ihn eine sehr arbeitsintensive Zeit, bis 1967 der erste Stuhl aus Polyesterharz vorgestellt wurde. Danach wurde hart an der Automatisierung und auch an Versuchen mit verschiedenen Materialien weitergetüftelt. Manfred Diebold hat neben der Geschichte „seines“ Stuhls noch viel anderes zu erzählen, da er zudem Leiter der Polsterei, der Eingangskontrolle und der Testabteilung war. Eine besondere Geschichte ist der Bau der Maschinen, um Bürostühle einem Dauertest zu unterziehen.Unangenehm sind seine Erinnerungen, als er auf einer seiner geliebten Urlaubsreisen mit dem Wohnwagen in Skandinavien erfuhr, dass 1981 ein Großbrand Teile der Fabrikationsstätte der Vitra vernichtet hat und er nicht auf dem schnellsten Weg nach Hause konnte. „MD“ oder „dr Manfred“, wie er nicht nur von Kollegen, sondern auch von Willi Fehlbaum genannt wurde, wäre noch länger bei Vitra geblieben, hätte er nicht Urlaub in Britisch-Kolumbien gemacht und sich in die dortige Landschaft und die Bewohner verliebt. Als eine Bewerbung bei einer Möbelfabrik in Vancouver zum Erfolg führte, siedelte er nach Kanada über. Er baute eine eigene Stuhlkollektion auf und plante Bestuhlungen unter anderem für Passagierschiffe, Flugplätze oder Gerichtssäle. Ein von ihm entwickelter höhenverstellbarer PC-Tisch, den er für seine Firma konstruierte, als er seine Abteilung die letzten Jahre als Selbstständiger führte, wird heute noch gebaut. Heute wohnt Manfred Diebold mit Ehefrau Rita im am Pazifischen Ozean gelegenen Salt Spring Island. Der inzwischen mit einem Kanadischen Pass ausgestattete ehemalige Lörracher genoss die Tage beim Verwandtenbesuch in der Müllheimer Straße unweit seines alten Arbeitgebers und verweilte mehrfach auf dem Campus. Unter anderem traf er auch mit ehemaligen Arbeitskollegen zusammen, zu denen er nach wie vor Kontakt hält.