Weil am Rhein Nur mit Koffer angekommen

Weiler Zeitung

Jubiläum: Helga Pätzel beginnt 1956 als Haushaltshilfe in Haltingen ein neues Leben

Auf ein besonderes Jubiläum kann Helga Pätzel zurückblicken. Heute vor 60 Jahren kam die damals 22-Jährige ohne Papiere und nur mit einem Koffer bei der Haltinger Familie Holdermann an, um als Haushaltshilfe zu beginnen. Schon bald war „Helgi“, wie Helga Pätzel genannt wird, ein geliebtes und geschätztes Mitglied der Familie.

Weil am Rhein. 1956, der Grenzzaun zwischen der BRD und der DDR war noch nicht errichtet, verließ Helga Pätzel als junge Frau ihre Heimat Döbern in der Lausitz mit einem Koffer. Nur eine Schwester ihrer drei Geschwister wurde eingeweiht, dass sie nicht mehr zurückkehren würde. Ihrer Mutter sagte sie vorsichtshalber nichts davon. Sie stieg in Leipzig in den Zug, musste ihre Papiere, wie es damals üblich war, an der DDR-Grenze zurücklassen und fuhr nach Basel und Haltingen. Als Adresse hatte sie Kurt Holdermann als ihren „Onkel“ angegeben, weil sie von einer Freundin, die bereits in Haltingen lebte, erfahren hatte, dass die Familie Holdermann eine Haushaltshilfe suchte. Heute, am 10. November, vor 60 Jahren auf den Tag genau, kam sie im größten Geschäftstrubel in der Metzgerei Holdermann an und wurde gebeten, am besten sofort mitzuhelfen.

Zwischen Seniorchefin Emma Holdermann, geborene Hagin, und Helga Pätzel gab es ein, wie damals üblich, distanziertes Chefin-Angestellten-Verhältnis, aber zu Kurt und Margret Holdermann hatte sie sofort eine freundschaftliche Verbindung. Margret Holdermann war mit dem zweiten Kind schwanger und brauchte, da sie auch im Laden mitarbeitete, unbedingt Unterstützung im Haushalt.

Helga Pätzel war ihr eine große Hilfe und bald für die ganze Familie unentbehrlich. Sie kümmerte sich um die Kinder, machte mit ihnen Hausaufgaben, kochte für die ganze Familie, erledigte den kompletten Haushalt und bereitete für die Metzgerei Salate und Frikadellen vor.

„Fräulein Helga“

Bald war sie ein festes Mitglied der Familie. Margret Holdermann und Helga Pätzel wurden ein „tolles Gespann“. Helga Pätzel, im Dorf als „Fräulein Helga“ bekannt, war bei den Familienreisen dabei, erlebte alle Geburten, Hochzeiten und auch die Enkel. Von der vierten Tochter wurde sie sogar Patentante, was Helga Pätzel als schönen Freundschaftsbeweis empfand. Die Kinder vertrauten ihr auch so manches an, was ihre Mutter nicht wissen sollte. Schon bald wurde sie von Margret Holdermann zum Haltinger Frauenverein mitgenommen, dem sie heute noch angehört.

Die inzwischen 82-Jährige wohnt immer noch im Haus der Familie Holdermann. Für sie ist klar, dass es damals die richtige Entscheidung war, hierher zu kommen – nach Haltingen, das schon binnen kurzer Zeit zu ihrer Wahlheimat geworden ist. Von allen Familienmitgliedern geliebt, wird die schmale, zierliche Frau als bescheiden, charakterstark und als ein Mensch, der sich nie beklagt, beschrieben. Ihr Frankfurter Kranz ist legendär, sie macht heute noch gerne Handarbeiten, liest sehr viel, löst Kreuzworträtsel, liebt es zu puzzeln, trifft zwei Mal in der Woche Freunde und verkauft „Quittenguezeli“ am Haltinger Frauenbasar.

Das 60-jährige Jubiläum von „Helgi“ wird heute Abend von der ganzen Familie gebührend und dankbar gefeiert.

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