^ Weil am Rhein: Raum für sich - Weil am Rhein - Verlagshaus Jaumann

Weil am Rhein Raum für sich

Weiler Zeitung
Dagmar Fük-Baumann mit einer Mutter und ihrer Tochter, die in Weil ihre ersten Schritte gemacht hat. Fotos: Sarah Trinler Foto: Weiler Zeitung

Flüchtlinge: Einblick in die Gemeinschaftsunterkunft Danziger Straße

Von Sarah Trinler

Privatsphäre hat einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen. Dies zeigt sich an den Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft in der Danziger Straße, die seit vergangener Woche voll ausgelastet ist. „Bei uns läuft das Zusammenleben sehr gut – weil jede Familie ihren eigenen Raum hat“, sagt Unterkunftsleiterin Dagmar Fük-Baumann.

Weil am Rhein. Gleich am Eingang der Gemeinschaftsunterkunft hängt eine Hausordnung auf Arabisch, Farsi und Dari, es gibt einen Putzplan und der Waschküche sind zwei Frauen zugeordnet. Die Deutschkurse finden im großen Gemeinschaftsraum statt. Alles scheint sehr geordnet abzulaufen – und zu funktionieren.

Was anfänglich als eher schwierige Lösung eingestuft wurde – die Flüchtlinge sind in einem Haus der städtischen WoGe untergebracht, das derzeit saniert wird (wir berichteten) – erweist sich nun als sehr geeignet. „Ich bedauere sehr, dass wir nur bis September hier bleiben können“, sagt Fük-Baumann. Danach ist die Sanierung abgeschlossen, und die WoGe kann die Wohnungen wieder vermieten.

Flüchtlinge sehen über Baulärm hinweg

Von den 17 Familien (insgesamt 62 Personen) hat jede ihren eigenen kleinen Wohnbereich mit Küche und Bad. Geschäfte, Schulen und Kindergärten sind ganz in der Nähe. Der Baulärm macht – wenn überhaupt – der Leiterin und der Sozialbetreuerin Sarah Braun zu schaffen, die Flüchtlinge sehen über den Lärm und den Baustellenschmutz hinweg. „Die kennen eine ganz andere Situation“, sagt Dagmar Fük-Baumann. Auch dass jeder für sich kochen könne, fühle sich für die Bewohner wie Luxus an. Die Küchen in den Wohnungen konnten von den Vormietern übernommen werden.

Die Familien in der Danziger Straße sind meist keine Familien im klassischen Sinne. In einer Wohnung lebt etwa eine Großmutter mit ihren Enkeln, in einer anderen eine alleinerziehende Mutter mit ihren Kindern. Die Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Fük-Baumann hat gleiche Nationalitäten auf die Stockwerke verteilt, sodass man eher den Kontakt zueinander sucht und sich gegenseitig hilft.

Und wie kommen gerade die männlichen Bewohner mit zwei Frauen als Ansprechpersonen klar? „Natürlich war das eine Umorientierung für die Männer. Aber es ist gut, dass sie damit frühzeitig konfrontiert werden. Sie müssen verstehen, dass in Deutschland Frau sein etwas anderes bedeutet als in ihren Herkunftsländern“, so Dagmar Fük-Baumann.

Die Unterkunftsleiterin ist froh, dass die Flüchtlinge den Kontakt zu ihr suchen. Kürzlich musste sie einem Verwandten eines Flüchtlings übers Handy erklären, wo dieser sich überhaupt befindet. Auch wenn es manchmal anstrengend ist, Dinge mehrfach erklären zu müssen, denn natürlich stellt auch in der Danziger Straße das Sprachdefizit ein großes Problem dar, bleibt Fük-Baumann entspannt. Sie würde sich allerdings einen Übersetzer wünschen, der Farsi spricht. „Wenn er oder sie nur ein mal pro Woche hier wäre, wäre das schon eine große Hilfe für mich.“

Es lässt sich nicht übergehen, dass auch in dieser Unterkunft recht schnell die kulturellen Unterschiede zu Tage kamen. Zum Beispiel musste Dagmar Fük-Baumann den Flüchtlingen erklären, dass Pünktlichkeit in Deutschland einen hohen Wert hat. „Zeit ist ein relativer Begriff“, schmunzelt die Leiterin. Bei der Vereinbarung „in zehn Minuten in meinem Büro“ können zehn Minuten unterschiedlich lang sein. Doch Fük-Baumann nimmt es locker: „Wir nähern uns so langsam an.“

Probleme mit Kleiderspenden

Etwas verärgert ist die Unterkunftsleiterin über die Art und Weise wie Kleiderspenden Weiler Bürgern vor der Einrichtung abgeladen werden. Natürlich seien Kleiderspenden grundsätzlich erwünscht, diese aber einfach kommentarlos vor den Eingang zu stellen, sei nicht Sinn der Sache. „Deutschland erstickt in Kleidung“, sagt Fük-Baumann etwas fassungslos. Die Flüchtlinge, die sie betreut, wurden bereits mit Kleidung versorgt. Wer etwas spenden möchte, solle sich daher an den Willkommenskreis wenden und gezielt nachfragen, was gerade gebraucht wird.

Ebenfalls bedauerlich findet die Unterkunftsleiterin, dass es für keinen der Kinder einen Kindergartenplatz gibt. „Wer lernt denn am schnellsten?“, sagt Fük-Baumann, die gerade an den älteren Kindern merkt, wie schnell sie Deutsch lernen, wenn sie mit anderen Kindern in Kontakt kommen. Die Schulkinder besuchen die Tschamber-, die Leopold- oder die Realschule Dreiländereck. „Die Kinder haben eine ganz andere Ausstrahlung, seit sie in die Schule gehen“, so Dagmar Fük-Baumann, „sie haben wieder eine Aufgabe und Struktur“. Neben den Kindergartenplätzen gibt es derzeit auch keine Plätze an der Gewerbeschule – für vier Jugendliche bleibt momentan lediglich die Warteliste.

Um so wichtiger sei die Beschäftigung der Kinder, aber auch der Erwachsenen. Fük-Baumann möchte den Kontakt zu örtlichen Fußballvereinen suchen, mit den Pfadfindern von St. Peter und Paul, die in direkter Nachbarschaft sind, bestehe dieser bereits. Einige Familien aus der Unterkunft haben auch schon den Suppensonntag der katholischen Kirchengemeinde, den Offenen Treff im Familienzentrum Wunderfitz oder das KEKS-Begegnungstreffen im Jugendcafé besucht. Ein Mal in der Woche kommen Studenten der Uni Basel in die Danziger Straße, um mit den Kindern Sport zu machen.

Was die Flüchtlinge in den Notunterkünften etwas zurückschrauben mussten – nämlich das Ausleben ihrer Gastfreundschaft – praktizieren sie nun wieder umso mehr. Zum Beispiel wird die Unterkunftsleiterin gerne zum Tee in die eigenen vier Wände eingeladen. „Natürlich wünschen sie sich noch viel mehr Zeit mit mir oder meiner Kollegin Sarah Braun, als wir ihnen geben können“, sagt Dagmar Fük-Baumann.

Gastfreundlich zeigte sich auch der Willkommenskreis Weil am Rhein, der Ende Januar, als die ersten Flüchtlinge in die Unterkunft zogen, jede Wohnungstür mit einem selbst gemalten „Willkommens“-Schild geschmückt und in die Wohnungen jeweils eine Primel, Süßigkeiten und Decken für die kleinen Kinder gelegt hatte. „Sie haben eine echte Willkommenskultur verbreitet“, freut sich Fük-Baumann.

Herzlich, offen, aber bestimmt

Dagmar Fük-Baumann ist es wohl auch, die einen großen Anteil an der guten Atmosphäre in der Danziger Straße hat. Mit ihrer herzlichen, offenen, aber dennoch bestimmten Art hat sie schnell Zugang zu den Flüchtlingen bekommen, die ihr Vertrauen entgegenbringen, aber auch auf sie hören, wenn sie Regeln durchsetzt. Fük-Baumann, die zuvor als stellvertretende Fachbereichsleiterin Kultur bei der Stadt Lörrach tätig war, liegt ihre Arbeit sehr am Herzen. „Wir müssen uns dieser Thematik stellen, ich erfülle gerade eine Aufgabe, die sehr viel Sinn macht“.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading