Jösel sieht den Abend auch als Annäherung an die historische Person Thomas Morus, der ein Freund des Erasmus von Rotterdam war, der ihn zur „Utopia“ animierte, und ein Zeitgenosse Martin Luthers. Morus’ Roman wurde im Oktober 1516 in der belgischen Stadt Leuven gedruckt, nur wenige Monate bevor Luther 1517 seine 95 Thesen in Wittenberg veröffentlichte.
Mit dem großen Reformator hatte Morus aber nichts am Hut. Er blieb zeitlebens ein überzeugter Katholik und treuer Anhänger des Papstes, was ihm noch zum Verhängnis werden sollte. Weil er sich weigerte, seinen Landesherren, Heinrich VIII., in dessen Diensten er als hochgeschätzter Diplomat einst stand, als Oberhaupt der anglikanischen Kirche anzuerkennen, wurde er enthauptet. Papst Pius IX. sprach Morus im Jahr 1935 heilig, wohl auch als Reaktion auf das Nazi-Regime.
Im aktuellen Erasmusjahr in Basel und im kommenden Lutherjahr aber „geht Morus verloren“, hat Jösel festgestellt. Kaum jemand gedenke in Deutschland des Jubiläums der „Utopia“, die 1524 erstmals in Deutsch übersetzt wurde. Nur in Leuven, wo das Buch erstmals gedruckt wurde – das Gebäude steht noch –, wird dieses Kapitel europäischer Literaturgeschichte kräftig gefeiert.