Liebe Leserinnen und Leser, im Jahr 2015 durften und mussten wir lernen, dass wir nicht nur mit Whatsapp und anderen sozialen Medien in Gigabyteschnelle die Welt mit einer Taste in unser Leben holen können, sondern dass diese Welt auch in atemraubender Geschwindigkeit unser Leben vor Ort verändert. Seit vielen Monaten leben in Weil am Rhein und im ganzen Bundesgebiet Menschen, die auf vielen Irrwegen und Umwegen – um ihr Leben betrogen und bedroht – eine neue Heimat suchen – auch in den jüngsten Tagen. Von vielen Ehrenamtlichen werden sie „Willkommen“ geheißen. Und so ist es auch schön, dass im Willkommenskreis der Katholischen Kirchengemeinde, der evangelischen Gemeinden und der Stadt Weil am Rhein hunderte Menschen ihre Zeit und Energie schenken, diesen Menschen zu sagen: „Willkommen in unserem Leben.“ Wovor Angst haben" Und doch müssen wir auch erleben, dass es Menschen gibt, die mit dieser neuen Situation überfordert sind und ihrer Angst Ausdruck verleihen – nicht zuletzt, indem sie die Situation wieder loswerden wollen mit allen Mitteln. Doch kann ich Menschen nicht wie ein Telefon oder PC wieder abschalten, wenn es mir zu viel wird. Gerade nicht, wenn sie, wie viele Menschen im vergangenen Jahrhundert – aus unserer eigenen deutschen Geschichte heraus – geflohen sind, weil ihr Leben bedroht war. Viele Menschen haben in unserem Ort einen Migrationshintergrund – auch ich selbst, wenn auch nur einen innerdeutschen. Willkommen im Leben heißt aber eben immer, dieses Leben ganz anzuschauen. Und hier sehe ich die eigentliche Angst vieler Menschen. Angst haben kommt immer dann, wenn ich in meinem eigenen Leben an Grenzen komme oder wenn ich mit Situationen konfrontiert werde, die Fehler in mir aufdecken könnten. Und diese Aspekte sind es auch, die sich dann nicht selten in Gewalt widerspiegeln. So werden manche Kinder aus diesen beiden Gründen angeschrien oder leider immer noch geschlagen. Und so entstehen manche Konflikte, weil sich eine oder einer nicht traut zu sagen: „Das überfordert mich oder ich habe Angst, weil ich so etwas schon mal erlebt habe.“ Vielleicht sollten sich deswegen auch manche eher die Frage gefallen lassen, wenn sie heutzutage zu sogenannten „rechten“ Parteien oder Äußerungen tendieren oder in anonymen Briefen oder via Facebook oder Twitter angreifen, wovor sie Angst haben. Bevor jemand einen anderen zum „Sündenbock“ macht, sollte er erst mal anfangen, zu schauen, was in ihr oder in ihm nicht richtig gelaufen ist. Warum habe ICH im Leben nicht das erreicht, was ich wollte" Warum bin ICH nicht geflohen, obwohl ich immer woanders das Leben besser vermutete" Warum erwarte ICH immer, dass andere erkennen, was ich brauche, ohne es zu sagen"... Willkommen im Leben – das ist auch die Botschaft der Kirche an Weihnachten an den Gott, der Mensch geworden ist, weil die Menschen an ihre Grenzen gekommen sind und sich selbst nicht mehr vergeben konnten. Und das ganze Evangelium ist voll von Begegnungen Jesu mit Menschen an den Grenzen und endet am Kreuz als „Sündenbock“ für alle, die sich nicht vergeben konnten. Aber weil er weiterlebt, hat er diese Spirale durchbrochen oder wie es die Christen nennen, uns allen im Tod am Kreuz Vergebung geschaffen. Und das ist uns Ansporn und Herausforderung für unser Leben – gerade wenn es an die Grenzen kommt. Es wäre so viel einfacher, wenn die Menschen miteinander reden – über ihre Erfahrungen, Sorgen, Ängste und das Befreiende erfahren würden, wenn jemand sagt: Mach dir keine Sorgen – gemeinsam schaffen wir das. Ist das ein Traum" Willkommen im Leben!                                                       Gerd Möller