Zell im Wiesental „Alle müssen den Kopf hinhalten“

Markgräfler Tagblatt
Für die Nutzung der Allmendweiden gibt es neue Richtlinien, die nicht allen Landwirten im Zeller Bergland gefallen. Foto: Archiv Foto: Markgräfler Tagblatt

Allmendweiden: Neues Antragsverfahren missfällt Adelsberger Landwirten / Kritik auch vom BLHV

Wenn die Lust an der Haltung von Kühen und Schafen verloren geht, hat das Wiesental und der Schwarzwald verloren, meint Hubert God. Der Referent für Umwelt und Struktur des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) sieht das neue Antragsverfahren zur Nutzung von Allmendweiden kritisch.

Von Michael Werndorff

Zell. Der große Aufstand sei bisher ausgeblieben, dennoch hätten zahlreiche Landwirte ihren Unmut kundgetan: Konnten bisher Gemeinschaftsweiden nach einem bestimmten Antragsverfahren genutzt und die Fördergelder individuell beantragt werden, sehen sich Viehhalter in Baden-Württemberg seit Anfang des Jahres gezwungen, Gesellschaften des öffentlichen Rechts (Gbr) oder Genossenschaften zu gründen, um von Mai bis Oktober ihr Vieh auf der Allmende weiden zu lassen.

„Ausschlaggebend ist der Code 491 (Anteil an Gemeinschaftsweiden), der im Antrag nicht mehr aufgeführt ist – das ärgert viele Landwirte“, sagt der Zeller Gemeinderat Hubert Sprich, der die politische Entscheidung kritisch sieht. Darüber hinaus setzten die Länder die Regel unterschiedlich um, in Bayern würde das alte Modell sogar beibehalten. „Das Landwirtschaftsministerium versteckt sich hinter einer EU-Verordnung, Politik muss sich aber an der Realität orientieren“, sieht Sprich Diskussionsbedarf.

Fläche unmissverständlich zuordnen

Bisher genügte es, den fiktiven Anteil an der Gemeinschaftsweide im Antrag darzustellen, jetzt muss laut Vorschrift die genutzte Fläche einem Landwirt unmissverständlich zugeordnet werden können, erklärt God die folgenschwere Änderung.

Diese schlägt sich nicht nur in einem wesentlich größeren Verwaltungsaufwand nieder, sondern auch in finanzieller Hinsicht, wie der Adelsberger Landwirt Max Lederer erklärt. Neben der Gründung einer Gbr, welche die Fläche für die Landwirte beantrage, müsse zudem ein Gesellschafter gefunden werden, um die Gbr nach außen hin zu vertreten. „Doch den muss man erst einmal finden, hinzu kommen unter anderem Versicherungsbeiträge, eine extra Buchführung und die Ausarbeitung individueller Verträge mit den Beschickern – unterm Strich bleibt von den Zuschüssen weniger übrig.“ Die Neuregelung nehme keine Rücksicht auf die Bedürfnisse einzelner Betriebe. In und um Adelsberg sind laut Lederer sechs Landwirte betroffen, und keiner sei erfreut gewesen.

Die Ankündigung sei im Dezember per Brief ins Haus geflattert, jetzt habe man nur noch Zeit bis Mai, um den gemeinsamen Antrag einreichen zu können, kritisiert er auch die schlechte Informationspolitik. „Das war viel zu kurzfristig“, sagt auch Gemeinderat Sprich. Den Landwirten blieb keine Zeit, sich vorzubereiten.

Ende der traditionellen Weideform

Würde es nach Lederer gehen, sollte das alte Antragsverfahren beibehalten werden, denn die Alternative sieht er kritisch: Die ehemals gemeinschaftlich genutzte Weide müsste aufgeteilt und Zäune gezogen werden. „Das ist nicht nur das Ende der traditionellen Weideform in den Hochlagen, auch für die Tiere wäre es schädlich“, ist Sprich überzeugt. Das stehe auch im Widerspruch zu den Zielen des Biosphärengebiets Schwarzwald, sind sich Sprich und God einig. Die Viehhaltung in den Höhenlagen soll nämlich einen wichtigen Beitrag zur Offenhaltung der Landschaft leisten, doch der stehe jetzt auf dem Spiel. Der eine oder andere Viehhalter wird die Gemeinschaftsweide vielleicht nicht mehr in Anspruch nehmen wollen, aber zur Landschaftspflege ist man auf Landwirte angewiesen. „Den Naturschützern kommt es aber anscheinend nicht auf die Bauern, sondern eher auf die auf der Weide wachsenden Blümchen an“, spitzt God zu. Kurzum: Der Schwarzwald lebe von der offenen Tierhaltung, und es bestehe durchaus die Gefahr, dass diese Form immer weiter verschwindet. „Das hat auch Nachteile für den Tourismus“, sagt der Referent.

Von einem Vorteil für die Viehhalter spricht indes Zells Bürgermeister Rudolf Rümmele: „Damit erfahren Landwirte auch ein Stück Rechtssicherheit, denn mögliche Verstöße und Unregelmäßigkeiten fielen bisher auf den eigenen Hof zurück.“ In etlichen Zeller Ortsteilen wurden bereits vor Jahren überwiegend Gbrs gegründet und das System habe sich bewährt. „Die Gemeinschaftsweide ist nicht in Gefahr, das wird von den Kritikern überzeichnet“, so Rümmele.

Das sieht Lederer ganz anders: „In der Gbr sitzen wir in einem Boot und müssen alle den Kopf hinhalten. Früher musste nur der einzelne Landwirt für Abweichungen geradestehen.“ Derzeit laufen die Verhandlungen zur Gründung einer Gbr in Adelsberg, aber auch die Alternativen würden diskutiert.

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