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Zell im Wiesental Versagen des Markts wird korrigiert

Markgräfler Tagblatt
Jederzeit daran denken, bei Baumaßnahmen Leerrohre für die Breitbandverkabelung einzuziehen. Diese Empfehlung wurde am Montag im Zeller Gemeinderat ausgesprochen. Foto: Archiv Foto: Markgräfler Tagblatt

Zell stimmt Beitritt zum Zweckverband Breitbandversorgung zu / Netzausbau soll „mit Bedacht“ erfolgen

Von Peter Schwendele

Zell. Das flächendeckende schnelle Internet kann kommen – wie schnell es kommen wird, ist allerdings noch offen. Der Zeller Gemeinderat stimmte jedenfalls am Montag einhellig dem Beitritt zum „Zweckverband Breitbandversorgung Landkreis Lörrach“ zu. Paul Kempf, zuständiger Experte im Landratsamt, betonte im Rahmen seiner Ausführungen, dass es die einzelnen Gemeinden selbst in der Hand haben, wie der Netzausbau im Detail vonstatten gehen wird.

Klar ist, dass der im September zu gründende Zweckverband das so genannte Backbonenetz erstellt, also das Hauptkabel, über das alle Kommunen mit einer leistungsfähigen Glasfaserleitung versorgt werden sollen, um in praktisch unbegrenzter Geschwindigkeit auf digitale Daten zugreifen zu können (die Datenübertragung per Glasfaserkabel ist höher als 10 000 Megabit pro Sekunde; zum Vergleich: DSL bietet eine Kapazität von bis zu 16 Megabit pro Sekunde). In Zell sollen fünf Übergabepunkte geschaffen werden, an denen die lokale Verteilerstruktur andocken kann. „Alle größeren Ortslagen werden angefahren“, so Kempf. Bereits jetzt wird in Zell mancherorts bei Baumaßnahmen die Glasfaserinstallierung mitberücksichtigt.

Paul Kempf legte dar, „dass wir subsidiär tätig werden, das heißt dort, wo der Markt versagt hat“. Der Experte eröffnete den Räten die grundsätzlichen Linien des geplanten Glasfaserausbaus und sprach dabei von einem Zwei-Stufen-Plan: Bis zum Jahr 2018 sollen die größten Versorgungslücken - vor allem im ländlichen Raum - behoben sein, bis zum Jahr 2030 soll dann überall schnelles Internet bis zu jedem Haus verfügbar sein. Die Technik nennt sich FTTB (Fibre To The Building, also: Glasfaser bis zum Haus) in Steigerung des so genannte FTTC (Fibre To The Curb, auf Deutsch: Glasfaser bis zum Verteilerkasten).

Zunächst ist eine Anschubfinanzierung für den Zweckverband notwendig, so dass auch Zell einen Gründungszuschuss von 5000 Euro sowie Stammkapitalbeiträge von 15 000 Euro in den Jahren 2016 bis 2018 leistet. Ab 2019 sollen dann die Erträge aus der Netzverpachtung die Verwaltungskosten übertreffen. Bisher gebe es sehr positive Rückmeldungen von potenziellen Netzbetreibern, sagte Kempf.

Getrennt zu betrachten seien indes von den beteiligten Gemeinden die jeweiligen Investitionskosten für den Netzausbau. „Grundsätzlich haben Sie als Verwaltung und Gemeinderat den Hut auf bei der Frage, wo und wie schnell der Ausbau laufen soll“, bekräftigte der Experte des Landratsamts. Ein sehr wichtiges Kriterium bei den diesbezüglichen Überlegungen sei die Anschlussneigung der Bürger an das neue Netz. Faustegel: Je mehr Anschlüsse, umso höher das Interesse eines Betreibers am Netz und umso schneller findet eine Amortisation der Investitionskosten statt. „Man sollte also mit einem gewissen Bedacht ausbauen“, meinte Kempf, und Bürgermeister Rudolf Rümmele konstatierte: „Es macht Sinn, die Bürger zu motivieren, sich anschließen zu lassen.“

Kartellrechtliche Bedenken, wie von Werner Ganter (CDU) angerissen, gibt es nicht. Paul Kempf stellte klar, dass - unabhängig vom Netzbetreiber - jeder Anschlussnehmer auch künftig einen individuellen Anbieter wählen kann.

Die Fraktionen begrüßten die Entwicklung in Sachen Breitbandausbau grundsätzlich. Thomas Kaiser (SPD) sagte, Ziel müsse es sein, auch in den Dörfern des Zeller Berglands in den nächsten Jahren eine bessere Grundversorgung zu schaffen. Thomas Schmidt (CDU) betonte, dass „es ein Stück weit auch an uns liegt, wann 2030 da ist“. Andrea Friedrich (FW) fand das Vorgehen prinzipiell gut, ärgerte sich aber über die Tatsache, dass Kreis und Kommunen hier die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. Die großen Netzbetreiber hätten die lukrativen Städte ausgebaut und das flache Land, wo der Netzausbau teuer sei, außen vor gelassen. „Irgendjemand hat hier versagt“, meinte Friedrich und wies darauf hin, dass man von Anfang an eine Kopplung hätte einfordern müssen. „Es ist eine Schweinerei, dass man das, was die Wirtschaft schon längst hätte leisten sollen, jetzt dem Steuerzahler überlässt.“

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