Der Bürgermeister wird auf demütigende Weise unter Gejohle durch die Stadt gezogen
So begab sich der Tross auf den Weg, wo er um 23 Uhr abends in Kandern ankam. Am Ortseingang mussten sich alle zu einem „feierlichen Einzug“ aufstellen. Voran marschierte die Musik, dann folgten bewaffnete Aufständische, hierauf die an die großen Leiterwagen angebundenen Gefangenen. Bürgermeister Schanzlin, immer noch mit dem Strick um den Hals, zogen die Peiniger in demütigender Art mit lautem Gejohle durch seine Stadt. Dieses schändliche Treiben endete erst beim Rathaus in der Stadtmitte. Die Kornhalle (heute Durchgang beim alten Rathaus) im Erdgeschoss des Gebäudes diente nun als Gefängnis, in welchem die misshandelten Kanderner eingekerkert wurden.
Am anderen Tag brachten die Rebellen mit Unterstützung der herbeigerufenen Freiburger Bürgerwehr einen Teil der Inhaftierten, darunter auch Schanzlin, nach Freiburg in die Haftanstalt. Der Revolutionär Lorenz Brentano (1813 bis 1891), der für eine kurze Zeit an der Spitze der provisorischen Regierung stand, hatte beschlossen, die Gefangenen tags darauf erschießen zu lassen. Mit sehr viel Glück entgingen sie nur knapp dem Tod durch das Standgericht der Republikaner. Ein Staatsanwalt namens Reich und dessen Stellvertreter Gustav Struve (1805 bis 1870) erklärten, aufgrund der gegen die Gefangenen vorliegenden Erkenntnisse keine Anklage erheben und begründen zu können. Dieser Auffassung schloss sich der Richter des Standgerichts glücklicherweise an.
Am 1. Juli 1849 kamen sie daraufhin frei, weil ihnen tatsächlich nichts vorgeworfen werden konnte. Der Empfang in Kandern war überwältigend. Die Bürger des Städtchens schätzten sich glücklich, dass alle verhafteten Kanderner trotz der schweren Misshandlungen einigermaßen wohlbehalten wieder heimkehren konnten.
Der damalige Bürgermeister Schanzlin und seine gleichgesinnten Weggefährten mussten brutale Gefangennahme, schlimmste Demütigungen und übelste Behandlungsmethoden erleiden. Zahlreiche Aufständische von anno dazumal, die heute gerne noch als die Vorbilder für Freiheit und Demokratie bezeichnet werden, gehörten wahrlich nicht zu den besten Vertretern dieser historischen Bewegung.
Mit einem menschenwürdigen Benehmen hatten ihre Aktionen überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil: Viele der Aufständischen der Jahre 1848 und 1849 waren weit davon entfernt, auch nur ansatzweise besser zu sein als jene, die sie bekämpft hatten.
Allein der furchtbare Umgang mit Johann Georg Schanzlin, dem seinerzeit amtierenden Stadtoberhaupt von Kandern, ist der überzeugende Beweis.