Auggen Die Nacht der Einzelgänger

Weiler Zeitung
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Stimmenfestival: Einprägsame Solo-Auftritte im Rosenfelspark: Rufus Wainwright und Tobias Siebert

Von Beatrice Ehrlich

Lörrach. Sie fühlen sich ganz augenscheinlich wohl, jeder für sich so ganz allein in der weiten Bühnenlandschaft: Rufus Wainwright und Tobias Siebert alias And the Golden Choir. Mit zwei einprägsamen Solo-Auftritten dieser beiden Künstler ist am Sonntagabend die Rosenfels-Konzertreihe des Stimmenfestivals zu Ende gegangen.

Schallplatte mit eigenen Tonspuren

Der Name von Tobias Sieberts ambitioniertem Solo-Projekt führt zunächst in die Irre. Golden sind allenfalls die Pinguine auf dem schwarzseidenen Morgenmantel, den der Sänger und Multiinstrumentalist auf der Bühne trägt. Und der Chor? Ja, von ihm könnte man sagen, dass er vorhanden ist, wenn man denn eine Schallplatte mit selbst aufgenommenen Tonspuren, darunter auch gesungenen, so nennen mag.

Ausgefeilte Bühnenchoreografie

Raffiniert ist die ausgefeilte Bühnenchoreografie des fünfundvierzigjährigen Sängers, der als Gitarrist und Sänger in Bands wie Delbo oder Klez.e von sich hören machte: Pro Lied holt er im Schein einer altmodischen Tischlampe jeweils eine Schallplatte aus der Schublade eines alten Holzsekretärs und legt sie auf. Dann trinkt er einen großen Schluck aus einem Rotweinglas, bevor er, bestückt jeweils mit einem seiner vielen Musikinstrumente, sein nächstes Lied vorträgt. Mit dem geheimnisvollen Knistern der Schallplatte beginnt jeder der Songs, die der Sänger oft mit hoher, geheimnisvoll vibrierender Stimme vorträgt, unterlegt von wabernden Klangteppichen, die Stimme um Stimme anschwellen, dann wieder im Nichts verklingen.

Auch die verrätselten Texte lassen den Zuhörer im Ungewissen. Angesichts des durchweg düsteren, fast depressiven Grundtons kann eine Zeile wie: „I lie to make you feel better every day“ wohl nur ironisch gemeint sein. Und was stellt sich ein nachdenklicher Rotweintrinker an Hackbrett, elektronischer Orgel oder Drehleiter wohl unter dem Himmel vor („In Heaven“)?

Rufus Wainwrigth, der den zweiten Teil des Konzerts übernimmt, ist im Gegensatz dazu ein alter Bekannter, wenn auch im neuen Look mit Bart. Sein Debüt beim Stimmenfestival liegt fünf Jahre zurück.

Reflexionen über das Leben

Sei’s drum: Bei bester Laune singt er am Flügel oder an der Gitarre Stücke aus seiner Anfangszeit vor 20 Jahren („Beauty Mark“) und von heute („A peaceful afternoon“ – gewidmet seinem Ehemann Jörn Weißbrodt, mit dem er seit 15 Jahren zusammen lebt), plaudert offenherzig auf Englisch aus seinem Leben dies- und jenseits des Atlantiks und genießt sichtlich amüsiert das Geburtstagslied, das sein Publikum für ihn anstimmt – er wird heute 45.

Die Lieder des unermüdlichen Songwriters sind Reflexionen über das Leben, inspiriert von einer Stimmung, einer Tageszeit oder einer Alltagsszene. Mit dem charmanten französischen Lied „La Lune“ wandelt das kulturgeschichtlich informierte musikalische Allround-Talent, auf dessen Konto unter anderem auch Opern und Filmvertonungen gehen, auf Rimbauds Spuren, in „Early morning“ lotet er den schmalen Grat aus, der oft zwischen Verrücktheit (Madness) und Traurigkeit (Sadness) liegt – Melancholie als Zustand größter Schaffenskraft.

Nachdenklich, nach innen gewandt, unpolitisch: ein Abend, der sich abhebt vom oft sommerlich-leichten Charakter der Freiluft-Konzerte im Lörracher Rosenfelspark.

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