Hausen Firma Auto-Kabel ist insolvent

Gerald Nill
Hohe Investitionen erfolgten in neue Maschinen, Mitarbeiter und Materialbestände bei Auto-Kabel in Hausen, aber der große Boom bei Elektroautos lässt weiter auf sich warten. Foto: Gerald Nill

Auto-Kabel aus Hausen ist in eine finanzielle Schieflage geraten. Am Dienstag trat die Geschäftsführung vor die 320-köpfige Belegschaft und verkündete den Schritt in eine „Insolvenz in Eigenverwaltung“ für den Produktionsstandort.

Ein Bündel von Ereignissen führte zum aktuellen Liquiditätsengpass bei dem Kfz-Zulieferer aus dem Wiesental. Hauptgrund für die Insolvenz ist jedoch, dass die hohen Erwartungen an den Umstieg in die Elektromobilität sich nicht so schnell erfüllen wie erwartet. Im international tätigen Konzern gab es Stornierungen und ein Aufschieben von Bestellungen bei namhaften Automobilherstellern, die zum Kundenstamm von Auto-Kabel zählen.

Massiv in Vorleistung

„Die Unsicherheit bei der Elektromobilität ist derzeit am Markt spürbar“, erklärt Auto-Kabel-Geschäftsführer Markus Bolz. Gleichzeitig ist das Unternehmen aber massiv in Vorleistung getreten und hat in Maschinen, erweiterte Flächen und neue Mitarbeiter investiert, was den Umstieg vom klassischen Batteriekabel eines Verbrenners auf die anspruchsvolle Vollverkabelung eines Stromers ermöglichen soll.

Außerdem wurden große Materialbestände aufgebaut. Durch die Kompetenz in der Aluminium-Kabeltechnik für Hochvolt-Fahrzeuge sieht sich das Unternehmen in Hausen im Grunde als besonders wettbewerbsfähig. Es ist erst ein gutes halbes Jahr her, dass Auto-Kabel bei einem Unternehmertreffen der Wirtschaftsregion Südwest noch als „Musterknabe und Gewinner der Elektromobilität“ gefeiert wurde. Die Produkte, Kunden und Mitarbeiter sind an Bord, allerdings verschlangen die Investitionen massive finanzielle Mittel.

Bestellungen verschoben

Während Auto-Kabel kräftig in den Standort investierte, Maschinen für eine vollautomatische Produktion anschaffte und Mitarbeiter anheuerte, verschleppten die Kunden ihre prognostizierten Abrufmengen deutlich. „Die Kunden haben ihre Bestellungen verschoben, weil sie selbst Probleme bei den geplanten Anlaufkurven, der Einhaltung der Vertragsversprechen und den Absatzmärkten für die E-Fahrzeuge haben“, erläutert Geschäftsführer Markus Bolz die Lage.

Investor aus USA sagt ab

Just in dieser Zeit entschloss sich auch noch die Gesellschafterfamilie, das Unternehmen abzustoßen. Aus Altersgründen, wie Bolz anführt. In einem aufstrebenden Kunden aus Amerika sei ein potenzieller neuer Investor gesehen worden. Im Sommer wurden Verträge unterzeichnet, offenbar mit einer Kaufoption innerhalb von acht Wochen. Bolz: „Der Investor hat nun vor drei Wochen nicht nur seine Zusage des vereinbarten Darlehens in einem zweistelligen Millionenbereich für den laufenden Betrieb in Hausen storniert, sondern er hat jetzt außerdem die geplante Übernahme der ganzen Auto-Kabel aus unbekannten Gründen kurzfristig zurück gezogen.“

Nun spricht der Geschäftsführer von einer „Wachstumskrise“, denn dass der Elektro-Boom beim Auto komme, sei politisch beschlossene Sache. Die „Wachstumskrise“ folgt allerdings auf die Corona-Krise, die Lieferkettenkrise und die Energie-Krise.

Hinter den Erwartungen

Dass Auto-Kabel die entsprechende Kompetenz der gesamten Fahrzeug-Elektrik mitbringt, sei unbestritten. Produkte aus Hausen steckten in Fahrzeugen von Opel und Peugeot, Mercedes, Audi und VW sowie in neuen Marken aus USA und China. „Das Opel-Programm, das den Standort Hausen in den vergangenen Jahren auslasten sollte, blieb mit mehr als 50 Prozent fehlendem Umsatzvolumen deutlich hinter den Erwartungen zurück“, beklagt Bolz. Finanzielle Entschädigungen konnte er aber nicht durchboxen, da just der Kunde Opel in der neu formierten PSA Gruppe aufging, die dann kurze Zeit später im Stellantis Konzern seine neue Heimat fand.

Die Zusammenarbeit mit sich stets neu formierenden Kunden-Konglomeraten erschwert die Auftragsabwicklung und erfordert immer wieder eine Anpassung an das volatile Marktumfeld. Neue namhafte Hersteller von Autos und Lastwagen klopften in der Zentrale in Hausen an und haben die Auftragsbücher in der gesamten Gruppe bis weit nach 2027 gefüllt.

Trendwende in 2024

„Wir erwarten weiteres starkes Umsatz-Wachstum und die Trendwende im Ergebnis im nächsten Jahr“, blickt Bolz weiter zuversichtlich in die Zukunft. Dann könnte sich das Umsatzvolumen bei Auto-Kabel verdoppeln und die Rechnung am Ende mit endlich wieder schwarzen Zahlen doch noch aufgehen.

Im Geschäftsplan der Betriebs KG in Hausen stehen rund 120 Millionen Euro Umsatz für 2024, in der gesamten Gruppe mehr als 600 Millionen Euro. „Die Auto-Kabel Gruppe ist weiterhin erfolgreich und bietet dem Kunden anspruchsvolle Technologien an. Lediglich die Werke, die sich in der Transformation zur E-Mobilität befinden, kämpfen aktuell mit hohen Vorfinanzierungsbedarfen und schleppendem Abrufverhalten“, erklärt Bolz.

Für den Produktionsstandort in Hausen bedeutet diese Bilanz etwa 38 Prozent weniger Umsatz als geplant in diesem Jahr: ein Defizit von 21,4 Millionen Euro. Diese Schieflage führte nach vielen Monaten der Verhandlung dazu, dass am Donnerstag eine „Insolvenz in Eigenverwaltung“ beim Gericht angemeldet wird. Davon betroffen sei nur der Produktionsstandort Hausen als ein Element der weltweit tätigen Auto-Kabel Gruppe. „Wir stellen sozusagen das Werk in Hausen unter Quarantäne, um es den nächsten Monaten wieder gesund zu pflegen“, so der Plan gemäß Bolz.

Wie geht es weiter?

Auto-Kabel habe alles, was ein Unternehmen für die Bewältigung einer erfolgreichen Zukunft benötige, resümiert der kürzlich neu hinzugekommene Geschäftsführer Bodo Müller vom Hofe. In einer Eigenverwaltung bleibt die Geschäftsleitung Herr im Haus, aber Rechnungen können auf Eis gelegt werden und die Gehälter für die Belegschaft übernimmt die Agentur für Arbeit für drei Monate. Vom Gericht wird ein Sachwalter, aber kein Insolvenzverwalter, eingesetzt. Somit wird alles getan, um den Standort in Hausen zu stabilisieren und für weiteres Wachstum zu rüsten.

Die Geschäftsleitung geht davon aus, dass bald ein neuer Investor gefunden wird, mit dem man bessere Erfahrungen machen wird als mit den Amerikanern. Wertvolle Zeit habe man durch den geplatzten Deal mit dem US-Investor verloren, aber jetzt befinde man sich in konkreten Gesprächen mit fünf bis sieben potenziellen Investoren, drückt die Geschäftsführung ihre Hoffnungen für die Zukunft des Unternehmens aus.

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