Bad Bellingen Abschied von der Dorflinde

Jutta Schütz
Bürger hängen Schleifen an die Linde. Foto: Jutta Schütz

Für die Rathauserweiterung und den Neubau eines Ratssaals sollen alte Bäume weichen.

Bereits rund 125 Unterschriften kamen bei Gemeinderat Wolfgang Müller zusammen, weitere Unterschriftenlisten sind im Umlauf.

Rund 30 Bürger, neben Müller noch Gemeinderat Tim Wessel sowie die ehemaligen Gemeinderäte Siegfried Jürgens und Hansjörg Isele, waren am Rathaus vor Ort, um in einer kleinen Protestaktion „Abschied“ von der rund 80 Jahre alten Dorflinde zu nehmen.

Die Anwesenden stellten Kerzen an der Linde auf, befestigten rote Schleifen und dazu ihre auf Zetteln notierten Gedanken und Kritik an der Planung für den Vorplatz, die von den Anwesenden als „unsensibel“ und als „nicht gut durchdacht“ kritisiert wurde. Bedauert wurde, dass Bürgermeister Carsten Vogelpohl nicht zu der angekündigten Aktion gekommen war, um sich Fragen zu stellen.

Mit kleinen persönlichen Anmerkungen protestieren Bürger gegen die anstehende Fällung der Linde beim Rathaus. Foto: Jutta Schütz

„Viele Bürger sind davon ausgegangen, dass die Linde stehen bleibt, auch wenn der Platz behindertengerecht angeglichen und der Rathausbrunnen versetzt und nicht nur die Hängebuche erhalten wird, die eine Spende der Sparkasse war“, erläuterte Müller. Denn in einer der Sitzungen zum Rathausprojekt, in der die Pläne und so viele Details erläutert wurden, sei untergegangen, dass dieser Baum und etwa auch der Ahorn vor dem Rathaus gefällt werden, berichtete Wessel.

Der BUND Bad Bellingen-Schliengen, der ebenfalls mit Mitgliedern vor Ort vertreten war, hatte in einer Pressemitteilung gegenüber der Verwaltung und den Tageszeitungen sein Unverständnis über die Fällung eines gesunden Baums ausgedrückt. Übereinstimmend wurde von den Anwesenden auf dem Platz die Meinung geäußert, dass die Linde, die „Herz- und Pfahlwurzeln ausgebildet hat“, doch einfach an ihrem Platz in einer kreisförmigen Senke stehen bleiben könnte. „Wo, bitte, ist das Problem, dann ist der Platz halt 70 Zentimeter höher und der Baum steht etwas tiefer“, fragte sich Fritz Höferlin. Warum unbedingt in der kommenden Woche die Bäume gefällt werden müssen, man könne bei der Verwaltung doch noch mal einen Blick auf die Pläne werfen und sich noch ein paar Wochen Zeit lassen, urteilte Manfred Vogel.

Zum Chanson „Mein Freund, der Baum, ist tot“ von Alexandra und der berühmten Mundharmonikasequenz aus dem Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ befestigten weitere hinzugekommene Bürger Schleifen und Texte an der Linde. Der 80 Jahre alte Fritz Höferlin hatte eine Zeichnung aus dem Jahr 1987 mitgebracht. Darauf war eine umgebaute Zunftstube mit zwei Vollgeschossen, das untere mit Bogeneingängen Bogenfenstern gestaltet, und einem Satteldach mit Gauben zu erkennen. „Ich hatte 1987 vorgeschlagen, die Zunftstube groß umzubauen, mit Räumen für Vereine, einem Kommunikationszentrum und einem Café plus Aufzug“, berichtete er. Seinen damaligen Vorschlag hatte er noch im Januar 2022 an Bürgermeister Vogelpohl gesandt. „Dieser Gebäudeentwurf hätte immer noch voll ausgereicht, plus Umbau des Rathausinneren für größere Zimmer“, fand Höferlin.

Stimmen zum Abschied

Auf kleinen Zetteln,
die am Samstag bei einer „Abschiedsfeier für die Bäume“ an der Linde angebracht wurden, waren Gedanken zum Baum und Kritik an der Fällung nachzulesen. „Es hätte auch eine andere Lösung gegeben“, „Man könnte dich retten, wenn man denn wollte“, „Ich muss weichen, weil der Bürgermeister es so will“, „Wir werden dich vermissen, liebe Linde“, „In tiefer Trauer“, „Man hätte auch anders planen können“, „Wir sollen gefällt werden, aus Mangel an Einfühlungsvermögen und Fantasie“, ist dort nachzulesen.

„Wir sind davon ausgegangen, der Baum bleibt“,
sagte Thomas Heußen. Gemeinderat Tim Wessel bedauerte, dass ursprüngliche Erhaltungspläne „Schall und Rauch“ seien. Ilke Weisenseel war richtig sauer: „Die verlochen hier Millionen, da hätten ein paar Tausend Euro für eine andere Baumplanung den Kohl auch nicht fetter gemacht.“ „Selbst eine Aufschüttung macht einer Linde nichts aus, 75 Zentimeter mehr an Erde ist ein Klacks für diese Baumart“, wusste Gemeinderat Wolfgang Müller als Biologe. Martina Schwinger, BUND Bad Bellingen-Schliengen, hielt es für falsch, einen großen Schatten spendenden Baum von einem künftigen „Bürgerplatz“ zu entfernen. Sonja Leber ärgerte sich, dass keine jüngeren Leute gekommen waren. „Fürs bessere Klima kleben sie sich auf die Straße, aber für einen großen Baum, der das Klima längst real verbessert, kommt von denen dann keiner.“

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