Das Interesse der jungen Iraker an Bildung ist groß. Vier Schulen, für zwei Millionen Euro durch die bayerische Landesregierung unterstützt, funktionieren wie kleine Bildungsfabriken: Vormittags werden die Einheimischen unterrichtet, nachmittags die Binnenflüchtlinge. Eltern, Großeltern und Lehrer bilden eine verschworene Gemeinschaft, die sich engagiert und das Bildungsangebot auch in die Familien trägt. Dadurch wird signalisiert: Schule ist uns wichtig. Dieses Beispiel zeige, dass kleinere Hilfen für lokale Kommunen, also auf der unteren Ebene direkt angesiedelt, durchschlagenden und auch nachhaltigen Erfolg haben werden, meint Hoffmann.
Gewächshäuser als Lebensgrundlage
Im größten Flüchtlingslager im Irak mit 27 000 syrischen Bewohnern, die teilweise seit 2012 dort leben, hat die GIZ ein landwirtschaftliches Projekt gestartet, das zunächst für Lagerbewohner Einkünfte ermöglichen soll und in Zukunft vielleicht zur Selbstversorgung ganzer Dörfer oder sogar des Lagers führen könnte. Im Moment ist es jedoch auf 20 Familien beschränkt.
Acht Berater unterweisen die Projektteilnehmer, wie sie in Plastik-Gewächshäusern Brokkoli, Tomaten, Gurken und Paprika produzieren können, mit minimalem Mitteleinsatz. „Das ist bei 10 000 Arbeitslosen in diesem Lager nur ein Tropfen auf einen heißen Stein“, meint Hoffmann. Der traditionell landwirtschaftlich geprägte Irak soll in naher Zukunft wieder in der Lage sein, sich mit Lebensmitteln selbst zu versorgen. Dazu dienen Programme der internationalen Gemeinschaft sowie ein Stabilisierungsfonds.
Lagerleben macht bequem
Mustafa Amin Al-Hiti ist der Chef des Wiederaufbaufonds im Irak. Er will die 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge aus den teuren Camps möglichst bald in ihre Dörfer zurückschicken, damit sie den Wiederaufbau selbst in die Hand nehmen. Geld dafür wäre da, aber im Flüchtlingslager ist das Leben zur Zeit noch besser: Es gibt Sicherheit, Strom, Wasser und etwas zu essen. Damit sich die Flüchtlinge nicht weiter an diese Art des Lebens gewöhnen, will Amin Al-Hiti die Eigenverantwortung stärken. „Es gibt so viele strukturelle Probleme,“ klärt er den Entwicklungspolitiker auf. „Die Verwaltung ist ineffizient, der Zentralismus in Bagdad lähmt uns ebenso wie die Korruption. Und dann brauchen wir noch eine nationale Versöhnung, sonst wird sich der Irak nicht stabilisieren.“
Das Trauma überwinden
In Dohuk unterstützt Baden-Württemberg ein Ausbildungszentrum für Psychotherapeuten für den gesamten Nahen und Mittleren Osten. Dort bildet der Traumatologe Jan Kizilhan jährlich 20 Therapeuten aus. „Eigentlich müssten es 300 sein“, sagt er zu Hoffmann. Kizilhan und seine Therapeuten kümmern sich um Frauen und Mädchen, aber auch um die Jungen, die als Kindersoldaten vom IS umerzogen wurden. Für Frauen, die von IS-Kämpfern vergewaltigt wurden, sei die Situation dramatisch. „Deren Kinder werden von ihren Glaubensgemeinschaften nicht akzeptiert. Es wäre schön, wenn sie in Deutschland Ruhe und eine neue Heimat fänden. Hier haben sie keine Chance.“
Frieden, Versöhnung und nationale Einheit
Nach vielen Gesprächen ist Hoffmann überzeugt: „Die Aufarbeitung der Geschichte ist sicherlich der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft.“ Die kurdische Regierung erhalte internationale Unterstützung zum Aufsuchen der Massengräber, die der IS ausgehoben hat. Allerdings wünsche sie sich ein DNA-Labor, um die Toten den Familien zuordnen zu können und um später Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof erheben zu können. „Und diese Bitte geht an uns, an Deutschland.“
Nach dem dreijährigen Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind große Teile der Infrastruktur des Iraks zerstört. Das Land liegt in Trümmern. Für den Wiederaufbau werden nach Angaben der Weltbank mehr als 70 Milliarden Euro benötigt. Deutschland ist zweitgrößter Geldgeber für den Irak und hat für dieses Jahr 350 Millionen Euro Hilfe zugesagt. Das Geld soll überwiegend an Projekte zur Nothilfe und zum Wiederaufbau der Infrastruktur fließen.