Bad Bellingen Besuch in einem zerrissenen Land

Weiler Zeitung

Reise: Bundestagsabgeordneter Christoph Hoffmann informiert sich im Irak über Entwicklungshilfeprojekte

Der FDP-Bundestagsabgeordnete  Christoph Hoffmann war eine Woche lang im Irak unterwegs, um sich mit eigenen Augen ein Bild vom Wiederaufbau zu machen. Als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung informierte er sich über deutsche Projekte und die Situation der Flüchtlinge im Land.

Von Christiane Breuer

Markgräflerland. Kowan (Namen geändert) ist verzweifelt. Zur Beerdigung seiner Großmutter ist er freiwillig in den Irak zurückgekehrt, nun kann er nicht mehr nach Deutschland. Er ist einer von drei Besuchern, die in das Rückkehrzentrum der Bundesrepublik in Erbil gekommen sind. Nuris Eltern sind krank und er will nach Deutschland, weil er sich dort für sie eine gute medizinische Behandlung und vollständige Heilung erhofft. Und der arbeitslose Goran will einfach nur auswandern.

Hoffmann ist nach diesen Begegnungen irritiert. „Ich dachte, mit dem Migrationsberatungszentrum will die Bundesregierung zusammen mit der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) Jobs und Ausbildungsplätze vor Ort vermitteln und Zehntausende irakischer Flüchtlinge in ihre alte Heimat zurücklocken.“ Auf Nachfragen erfährt der Abgeordnete, dass man den Rückkehrern hilft, attraktive Lebensläufe und Präsentationen zu erarbeiten. Damit will man deutschen Firmen, die im Irak investieren, helfen, passende Arbeitskräfte zu finden. Aber bisher finden sich kaum Unternehmen, die Arbeitsplätze im Irak schaffen wollen.

Anschläge an der Tagesordnung

Nach der Landung in der Festung Bagdad und unzähligen Kontrollen an panzergesicherten Straßensperren erreicht Hoffmann  die deutsche Botschaft, gesichert mit Stacheldraht, Wachtürmen, Sandsäcken und Videokameras. Bei der Sicherheitseinweisung erhält er schusssichere Weste, Stahlhelm und Funkgerät, die er immer griffbereit haben muss. Anschläge  sind an der Tagesordnung – während seines Aufenthalts werden acht Menschen in Bagdad erschossen.

Am nächsten Tag: Landung in Erbil – „fast wie in einem anderen Land. Keine Straßenblockaden, keine Sandsäcke, auf den Straßen nur zivile Polizei“, bemerkt Hoffmann. Hier warten auf ihn Projekte zur Bildung und zum Wiederaufbau.

Kleine Hoffnungsschimmer: Bildung lohnt sich

Das Interesse der jungen Iraker an Bildung ist groß. Vier Schulen, für zwei Millionen Euro durch die bayerische Landesregierung unterstützt, funktionieren wie kleine Bildungsfabriken: Vormittags werden die Einheimischen unterrichtet, nachmittags die Binnenflüchtlinge. Eltern, Großeltern und Lehrer bilden eine verschworene Gemeinschaft, die sich engagiert und das Bildungsangebot auch in die Familien trägt. Dadurch wird signalisiert: Schule ist uns wichtig. Dieses Beispiel zeige, dass kleinere Hilfen für lokale Kommunen, also auf der unteren Ebene direkt angesiedelt, durchschlagenden und auch nachhaltigen Erfolg haben werden, meint Hoffmann.

Gewächshäuser als Lebensgrundlage 

Im größten Flüchtlingslager im Irak mit 27 000 syrischen Bewohnern, die teilweise seit 2012 dort leben, hat die GIZ ein landwirtschaftliches Projekt gestartet, das zunächst für Lagerbewohner Einkünfte ermöglichen soll und in Zukunft vielleicht zur Selbstversorgung ganzer Dörfer oder sogar des Lagers führen könnte. Im Moment ist es jedoch auf 20 Familien beschränkt.

Acht Berater unterweisen die Projektteilnehmer, wie sie in Plastik-Gewächshäusern Brokkoli, Tomaten, Gurken und Paprika produzieren können, mit minimalem Mitteleinsatz. „Das ist bei 10 000 Arbeitslosen in diesem Lager nur ein Tropfen auf einen heißen Stein“, meint Hoffmann. Der traditionell landwirtschaftlich geprägte Irak soll in naher Zukunft wieder in der Lage sein, sich mit Lebensmitteln selbst zu versorgen. Dazu dienen Programme der internationalen Gemeinschaft sowie ein Stabilisierungsfonds.

Lagerleben macht bequem

 Mustafa Amin Al-Hiti ist der Chef des Wiederaufbaufonds im Irak. Er will  die 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge aus den teuren Camps möglichst bald in ihre Dörfer zurückschicken, damit sie den Wiederaufbau selbst in die Hand nehmen. Geld dafür wäre da, aber im Flüchtlingslager ist das Leben zur Zeit noch besser: Es gibt Sicherheit, Strom, Wasser und etwas zu essen. Damit sich die Flüchtlinge nicht weiter an diese Art des Lebens gewöhnen, will Amin Al-Hiti die Eigenverantwortung stärken. „Es gibt so viele strukturelle Probleme,“ klärt er den Entwicklungspolitiker auf. „Die Verwaltung ist ineffizient, der Zentralismus in Bagdad lähmt uns ebenso wie die Korruption. Und dann brauchen wir noch eine nationale Versöhnung, sonst wird sich der Irak nicht stabilisieren.“ 

Das Trauma überwinden

 In Dohuk unterstützt Baden-Württemberg ein Ausbildungszentrum für Psychotherapeuten für den gesamten Nahen und Mittleren Osten. Dort bildet der Traumatologe Jan Kizilhan jährlich 20 Therapeuten aus. „Eigentlich müssten es 300 sein“, sagt er zu Hoffmann. Kizilhan und seine Therapeuten kümmern sich um Frauen und Mädchen, aber auch um die Jungen, die als Kindersoldaten vom IS umerzogen wurden. Für Frauen, die von IS-Kämpfern vergewaltigt  wurden, sei die Situation dramatisch. „Deren Kinder werden von ihren Glaubensgemeinschaften nicht akzeptiert.   Es wäre schön, wenn sie in Deutschland Ruhe und eine neue Heimat fänden. Hier haben sie keine Chance.“

Frieden, Versöhnung und nationale Einheit

 Nach vielen Gesprächen ist Hoffmann überzeugt: „Die Aufarbeitung der Geschichte ist sicherlich der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft.“ Die kurdische Regierung erhalte internationale Unterstützung zum Aufsuchen der Massengräber, die der IS ausgehoben hat. Allerdings wünsche sie sich ein DNA-Labor, um die Toten den Familien zuordnen zu können und um später Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof erheben zu können. „Und diese Bitte geht an uns, an Deutschland.“

Nach dem dreijährigen Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind große Teile der Infrastruktur des Iraks zerstört. Das Land liegt in Trümmern. Für den Wiederaufbau werden nach Angaben der Weltbank mehr als 70 Milliarden Euro benötigt. Deutschland ist zweitgrößter Geldgeber für den Irak und hat für dieses Jahr 350 Millionen Euro Hilfe zugesagt. Das Geld soll überwiegend an Projekte zur Nothilfe und zum Wiederaufbau der Infrastruktur fließen. 

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