Bad Bellingen Wer ein Rezept hat, wird behandelt

Weiler Zeitung
Ergotherapeutin Andrea Frank-Sinkewitsch (r.) bei einer neurologischen Behandlung.Foto: zVg Foto: Weiler Zeitung

Coronavirus: Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden bleiben die Patienten weg

Auch in der Corona-Krise brauchen beispielsweise Schlaganfall-Patienten ihre Physiotherapie. So genannte Heilmittelerbringer wie Physio- und Ergotherapeuten oder Logopäden müssen – als Teil des Gesundheitssystems – nach wie vor für ihre Patienten da sein.

Von Alexander Anlicker

Bad Bellingen. Unsere Zeitung sprach mit Andrea Frank-Sinkewitsch, die in Bad Bellingen die interdisziplinäre Praxis „Hand in Hand“ betreibt, über die derzeitigen besonderen Herausforderungen.

Frage: Sie bieten in ihrer Praxis Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. Allesamt Heilmittel beziehungsweise Therapien, die vielfach medizinisch notwendig sind. Daher dürfen Sie Ihre Praxis nicht so einfach schließen. Welche Therapien finden noch statt, auf was kann gegebenenfalls verzichtet werden?

Schlaganfall-Patienten werden weiterhin von uns therapiert, da die Therapie einer Festigung von falschen Bewegungsmustern vorbeugt. Aber auch Schmerzpatienten, Patienten mit Lymphödemen sowie nach einer Knie- oder Hüft-Operation werden weiter behandelt. Das gilt auch für· Menschen mit Behinderung, für die diese Struktur sehr wichtig ist. Behandelt werden generell alle Patienten, die ein Rezept haben – unter der Voraussetzung, dass sie sich nicht krank fühlen und keine Symptome haben. Verzichtet wird auf Gruppentherapien, und Patienten aus Risikogebieten, wie dem Elsass, sind angehalten zu Hause zu bleiben.

Frage: Viele Patienten werden vermutlich aus Angst vor dem Coronavirus von sich aus Termine absagen, wie gut sind Sie noch ausgelastet? Müssen Sie Mitarbeiter in die Kurzarbeit oder in den vorgezogenen Jahresurlaub schicken?

Seit 16. März sind uns bisweilen gut 50 Prozent aller vereinbarten Termine weggebrochen. Dies sind rund 150 Therapiestunden, die uns fehlen, und die wir nicht wieder bekommen. Auf alle drei Therapiebereiche gerechnet haben wir somit innerhalb von zehn Tagen einen Ausfall von rund 10 500 Euro. Wir versuchen, diesen Negativtrend mit Online beziehungsweise Videotherapie aufzufangen. Wir werden, nachdem unsere Mitarbeiter Urlaub oder Überstunden abgebaut haben und sich die Lage weiterhin in so einem Negativtrend befindet, sicherlich nicht an Kurzarbeit vorbei kommen.

Frage: Wie schützen Sie sich, Ihre Mitarbeiter und natürlich auch die Patienten? Haben Sie noch ausreichend Schutzkleidung und Desinfektionsmittel?

Unsere Mitarbeiter sind angehalten die vorgegebenen Schutz- und Infektionsschutzmaßnahmen einzuhalten. Des Weiteren haben wir ausreichend Desinfektionsmittelspender in unseren Praxisräumen. Wir achten außerdem darauf, dass sich jeder Patient bei Betreten und Verlassen der Praxis die Hände desinfiziert. Zudem desinfizieren wir unsere Praxisräumlichkeiten täglich mit entsprechend zugelassenen Flächendesinfektionsmitteln. Aktuell haben wir noch ausreichend Schutzkleidung und Desinfektionsmittel, da wir immer eine bestimmte Mindestmenge an gesetzlich geforderten Desinfektions- und Reinigungsmitteln für Praxen vorhalten.

Frage: Gibt es Alternativen, beispielweise über Videotelefonie krankengymnastische Übungen den Patienten vorzumachen und dann auch zu korrigieren?

Wir haben seit vergangenem Donnerstag Zugang zu einem Portal für Teletherapie. Da sich aktuell relativ viele an wenige Teletherapie-Betreiber wenden, dauert die Einrichtung des benötigten Portals für die Onlinetherapie. Hierüber können dann unsere Mitarbeiter, egal ob Ergo-, Logo-, oder Physiotherapie, unsere Patienten therapieren. Dies ist ebenfalls von den Krankenkassen anerkannt.

Frage: Was fordern Sie von der Politik und den Krankenkassen?

Wir fordern von den Krankenkassen und der Politik finanzielle Soforthilfe in Form von Ausgleichszahlungen. Wenn wir keine Leistung erbringen können, entstehen den Krankenkassen keine Kosten. Ganz im Gegenteil. Sie profitieren finanziell von dieser Situation. Denn die Kosten für Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Podologie sind im Haushaltsplan der Krankenkassen bereits eingeplant. Es bringt sie also nicht in finanzielle Schwierigkeiten, den Heilmittelerbringern eine Soforthilfe auszuzahlen, um deren Umsatzeinbußen auszugleichen. Für die Krankenkassen wäre dies ein Nullsummenspiel. Den Heilmittelerbringern rettet es aber deren Existenz und den Patienten sichert es nach dieser Notlage eine qualitativ hochwertige notwendige Therapie.

Die Ergotherapeutein Andrea Frank-Sinkewitsch betreibt ihre Bad Bellinger Praxis „Hand in Hand“ seit dem Jahr 2008. Seit 2018 ist es eine interdisziplinäre Praxis mit den Fachbereichen Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie sowie Sport- und Bewegungstherapie. In der Praxis arbeiten aktuell insgesamt neun Mitarbeiter: vier Ergotherapeuten (inklusive Frank-Sinkewitsch), zwei Physiotherapeuten, eine Logopädin, eine Sport- und Bewegungstherapeutin, eine Erziehungswissenschaftlerin und ein Geschäftsführer sowie eine Reinigungskraft.

Eine Ergotherapeutin wartet darauf, ihre mündliche Prüfung ablegen zu können, und eine zweite Logopädin beginnt im Mai.

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