Noch vor Abschluss der Ernte zog Struve am 21. September von Riehen aus in Lörrach ein. Es war der Jahrestag der Ausrufung der Republik von 1792 in Frankreich. In Lörrach war Jahrmarkt. Die Nationalversammlung hatte durch die Zustimmung zum demütigenden Waffenstillstand von Malmö in der Schleswig-Holstein-Frage, die wichtig für die nationale Einigung war, seine Machtlosigkeit erkennen lassen. Die Enttäuschung darüber entlud sich in einer Reihe von Tumulten, die Struve als den Beginn von Aufständen deutete.
Ausrufung der Republik
Struve schildert seinen Einzug nach dem Grenzübertritt so: „Von Stetten aus zogen die Republikaner in der Stadt Lörrach ein, wo sie von einer wogenden Menschenmenge unter Trommelschlag mit freudigen Hochrufen auf Struve und die Republik empfangen wurden. Sie setzten sich darauf im Rathause fest; Struve redete nochmals das Volk an, stellte der Nationalgarde den Bürger Löwenfels als Kommandanten des Hauptquartiers vor und berief den Bürgermeister und Gemeinderat vor sich. Es kamen nun Abordnungen auf Abordnungen, welche die Nachricht von der herrlichen demokratischen Stimmung in der ganzen Umgebung überbrachten.“
Tatsächlich gab es Unterstützung durch die Bürgermeister Ofenheusle von Stetten, Karl Wenner von Lörrach und der örtlichen Bürgerwehren. Die Lörracher standen unter dem Kommando des später renommierten Hirschenwirts Markus Pflüger. Struve hatte vom Fenster des Ratssaals im ersten Stock des alten Rathauses die Republik ausgerufen. Den Balkon gibt es erst seit dem Neubau im Jahre 1869. Auf dem Marktbrunnen hatte Struve die rote Fahne der Revolution hissen und Schilder „Deutsche Republik“ anbringen lassen. Die großherzoglichen Insignien wurden entfernt.
Zentrale Botschaft war auch hier: „Wohlstand, Bildung, Freiheit für alle!“ In dem im Verlauf des September-Putsches, der gerade mal drei Tage und zwölf Stunden dauerte, wie Eduard Kaiser buchhalterisch vermerkte, erschienenen republikanischen Regierungsblatt, von dem es nur eine Nummer gibt, taucht dieses Motto dreimal an hervorgehobener Stelle auf. Sämtliche Verfügungen dieser von Struve als Präsident geführten provisorischen Regierung, deren Wirkungskreis kaum über die Lörracher Stadtgrenzen hinausging, sind damit überschrieben. Die Stadtkasse wurde beschlagnahmt, Anweisungen an sämtliche Bürgermeister gegeben und Zwangsrekrutierungen in den umliegenden Dörfern rücksichtslos durchgeführt. Der Revolutionsgegner wie Eduard Kaiser wurden verhaftet. Anstatt des Rathauses hätte Struve besser das Amtshaus, das die großherzoglich Macht verkörperte, besetzen müssen.
Die Niederschlagung
Schon am 23. September 1848 zog Struve Richtung Müllheim los. Er erhielt unterwegs Zuzug von weiteren Freischärlern, vor allem von deutschen Emigranten aus der Schweiz. Rund 8000 Mann dürfte der Zug stark gewesen sein. Schon einen Tag später, am 24. September 1848, unterlagen die Freischärler den Regierungstruppen unter General Hoffmann in Staufen. Der von Struve erwartete und erhoffte allgemeine Aufstand hatte nicht stattgefunden. Struve versuchte, in die Schweiz zu entkommen, wurde aber am 25. September 1848 in der „Krone“ in Wehr festgenommen.
Der Verdienst
Doch Struves Verdienst ist nicht nur, dass er in Lörrach zum ersten Mal in Deutschland die Republik ausgerufen hat, sondern dass er Verfassungsprinzipien entwickelt hat, die heute noch unser Verständnis einer sozialen Demokratie bestimmen.