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Basel Abgesang auf die Paarbeziehung

Die Oberbadische
Eine bissige, postfeministische Farce wird am Theater Basel präsentiert. Foto: Sandra Then Foto: Die Oberbadische

Theater: „In den Gärten oder Lysistrata Teil 2“: Sibylle Bergs Auftragsarbeit fürs Basler Theater

Von Dominique Spirgi

Basel. Auf die dystopische Weltbetrachtung in ihrem soeben mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichneten Roman „GRM. Brainfuck“ ließ Sybille Berg am Samstag im Theater Basel eine bissige postfeministische Farce zum Untergang der Paarbeziehung folgen.

Das ist es also nun, was von uns Menschen übrig geblieben ist: puppenhafte Wesen mit gelber, grüner, blauer oder rosafarbener Haut. Avatare von dem, was Frau und Mann einst waren, als sie noch zu heterosexuellen Beziehungen fähig waren – sie im Hostessen-Look, er als Elvis-Abklatsch. Eingezwängt in Glasvitrinen mit Schlafzimmer-, Küchen-, Toiletten- oder Speisezimmer-Einrichtung, werden sie zur Schau gestellt.

„Ein wunderbarer Tag für einen Museumsbesuch“, wird erkundet, „ein prächtiger Tag, um sich mit Wehmut an die frühere Welt zu erinnern.“ Diese frühere Welt ist die Gegenwart der #MeToo-Ära, der Frauenstreik-Bewegung beziehungsweise der Realität, die diese Bewegungen zur Folge hatte. Und sie ist die Zeit vor 2500 Jahren, als Aristophanes mit Lysistrata eine Figur erfand, die zum Frauenstreik aufrief, um die Männer dazu zu nötigen, einen 20-jährigen Krieg zu beenden.

Auf diese erste Antikriegskomödie der Geschichte nimmt Sibylle Berg mit ihrer Auftragsarbeit für das Theater Basel Bezug. Als „Nachdichtung“ des antiken Stoffs wird das Stück „In den Gärten oder Lysistrata Teil 2“ angekündigt.

Doch außer dem Namen Lysistrata für das Frauenbild, das von fünf Schauspielerinnen verkörpert wird, hat Berg vom Ursprungsstoff nicht viel übrig gelassen. Hier geht es nicht mehr darum, einen Krieg der Armeen zu beenden, sondern darum, dem ewigen und letztlich ermüdenden Kampf zwischen den Geschlechtern ein Ende zu setzen. Zwischen Lysistrata, die sich auftakelt, um den Testosteron-getriebenen Begierden des Mannes – hier als dreifach anwesender „Bernd“ – zu genügen.

Gegen die Erwartung: Das starke Geschlecht will schwach sein

Berg lässt diesen Kampf anders ausarten, als man es vielleicht erwarten würde. Nicht die Frau schreitet zur Verweigerung, sondern der Mann. Das ehemals starke Geschlecht will schwach und nicht mehr ständig auf Geschlechtsverkehr aus sein, ja will schließlich gar keinen Sex mehr. Und die Frau merkt von all dem nichts. Der Mann stirbt aus, die Frau findet mit Sexspielzeugen endlich ihre Befriedigung, und der Nachwuchs wird in Kühlschränken gezeugt.

Berg hat diese Neudeutung in einer überbordenden Kalauerkaskade auf Papier gebracht, die sich zuweilen bis an die Grenze zur Albernheit emporschwingt. So sind Sätze zu lesen wie: „Ich paare mich und weiß genau, das Resultat ist immer mau.“ Alles in allem ist es aber ein ebenso hintersinnig komischer wie gnadenlos bissiger Blick auf das aneinander Vorbeileben der Geschlechter.

Regisseur Miloš Lolic packt die bissig-komische Kaskade in ein von einer Hyper-Künstlichkeit geprägtes Setting. Das Publikum wird von einem Dauerstakkato von Textfetzen bombardiert, die von den Schauspielerinnen und Schauspielern wie Pingpong-Bälle einander zugespielt werden, die von Chorpassagen zu Monologen und wieder zurückspringen.

Für etwas Entspannung zwischendurch sorgt einzig ein Musikerinnentrio mit Harfe, Violine und Saxofon, und ein männlicher Sopransänger, der aufkeimenden oder auch nur gespielten Orgasmen koloraturartigen Widerhall verleiht.

Bergs Textkaskade und die ausgesprochen temporeiche Umsetzung auf der Bühne führen die Zuschauer zuweilen an den Rand der Überforderung. Die Pointen folgen einander im Sekundentakt, so dass kaum Zeit zum erlösenden Lachen bleibt. Lolic und das bestechend präzise und lustvoll aufspielende Ensemble sorgen aber letztlich für ein höchst vergnügliches Erlebnis, das nach einer gewissen Erholungsphase nach dem Schlussapplaus womöglich sogar zum Nachdenken anzuregen vermag.

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