Basel Beide Basel gehen getrennte Wege

Michael Werndorff/sda
Die Branchenverbände der Wirte und Hoteliers haben am Dienstag vor einem Fiasko gewarnt. Foto: Die Oberbadische

Pandemie: Schweizer Bundesrat prescht vor und will einheitliche Maßnahmen umsetzen

Basel - Die Corona-Pandemie stellt Gesellschaft und Politik beidseits der Grenzen vor große Herausforderungen. Gemeinsames Ziel aller Bemühungen ist es, die Fallzahlen zu reduzieren und Menschenleben zu retten. Während der Teil-Lockdown deutschlandweit verlängert wurde, verhindert der Kantönligeist bei unseren Nachbarn ein gemeinsames Handeln. Der Schweizer Bundesrat will das Heft nun in die Hand nehmen.

Ein Bar- oder Restaurantbesuch in Basel-Stadt ist seit Einführung verschärfter Corona-Schutzmaßnahmen am 23. November nicht mehr möglich. Wer auf das Speisen außer Haus nicht verzichten will, kann unter anderem in den Landkanton ausweichen. Dort sollten morgen neue Maßnahmen in Kraft treten (wir berichteten). Doch mit dem Vorstoß des Bundesrats hat der Landkanton gestern Nachmittag eine Kehrtwende vollzogen.

Damit wolle der Regierungsrat verhindern, dass widersprüchliche Entscheidungen von Bund und Kantonen die Bevölkerung verunsicherten, heißt es in einer Regierungsmitteilung. In einem Schreiben kritisiert die Baselbieter Regierung, dass dieses Vorgehen des Bundesrats die föderalistische Zusammenarbeit „in höchstem Maße“ gefährde.

Sperrstunde um 21 Uhr

Was geplant war: Bis 17. Januar sollte eine Sperrstunde um 21 Uhr greifen. Darüber hinaus hat die Baselbieter Regierung eine Obergrenze von 15 Personen für Veranstaltungen verfügt. Zudem hat sie mit wenigen Ausnahmen sämtliche Sportaktivitäten in öffentlich zugänglichen Einrichtungen und im Freien verboten. Des weiteren müssten Freizeitinstitutionen von Jugendzentren über Wellness-Center bis zu Erotikbetrieben schließen. Als Ausnahmen bei den Sportaktivitäten werden Leistungs- und Schulsport sowie der professionelle Spielbetrieb aufgeführt. Gleiches gilt im Kanton Solothurn, wo sich in Restaurants maximal 50 Personen gleichzeitig aufhalten dürfen.

Maßnahmen verlängert

Der Stadtkanton, der seine Maßnahmen bis zum 20. Dezember um eine Woche verlängert, begründet sein Vorgehen mit der nach wie vor hohen Zahl an Corona-Fällen.

Neuer Rekordwert

Im Landkanton sieht man von einer Schließung der Gastronomie ab, obwohl sich die Corona-Lage keinesfalls entspannt hat. Im Gegenteil: Am Dienstag verzeichnete Baselland mit 208 Corona-Infektionen einen neuen Höchstwert. „Die Ausgangslage zwischen der Stadt und der Landschaft lässt sich nicht ganz vergleichen“, sagte der Baselbieter Regierungssprecher Nic Kaufmann dieser Tage. So gebe es im Baselbiet keine Ausgehmeile wie die Basler Steinenvorstadt mit entsprechenden Menschenansammlungen.

Angesprochen auf das uneinheitliche Vorgehen beider Basel, sagte der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas Weber, dass es nun der Stadtkanton sei, der in der Nordwestschweiz einen eigenen Weg beschreite. Der Kanton Baselland habe sorgfältig zwischen den gesundheitlich notwendigen Maßnahmen und den wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Schäden abgewogen.

Wirte schlagen Alarm

Die Branchenverbände der Wirte und Hoteliers warnten am Dienstag nach der Entscheidung der Regierung in einer gemeinsamen Mitteilung vor einem Fiasko. Jede Woche Lockdown koste das Basler Gastgewerbe in der Vorweihnachtszeit 20 Millionen Franken Umsatz pro Woche. Verlangt wird deshalb Soforthilfe aus dem Krisenfonds des Kantons Basel-Stadt. Zahlreiche Betriebe stehen laut einer Mitteilung vor dem Aus. Dem Gastgewerbe jetzt stärker zu helfen, sei für die öffentliche Hand langfristig wesentlich günstiger als ein „Zuwarten in dieser todernsten Zeit“, halten der Wirteverband Basel-Stadt und Hotelleriesuisse Basel und Region fest.

Bundesrat prescht vor

Weil sich die epidemiologische Lage in der Schweiz nicht entspannt, will der Bundesrat das Heft wieder selbst in die Hand nehmen. Verschlechtert sich die Lage weiter, schließt er einen neuen Lockdown nicht aus.

„Es wird noch einmal schwierig, ausgerechnet über die Festtage“, sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Dienstagabend in Bern vor den Medien. Weitere Maßnahmen seien unausweichlich. Ab kommendem Samstag will der Bundesrat die erste Stufe zünden. Die verschärften Maßnahmen sollen vorerst bis 20. Januar gelten. Morgen fällt die Entscheidung.

Freizeitaktivitäten würden stark beschnitten. Unter anderem sollen Gastrobetriebe, Einkaufsläden und Märkte, Freizeitbetriebe und Sportaktivitäten ab 19 Uhr sowie an Sonntagen schließen. Alle öffentlichen Veranstaltungen mit Publikum sollen verboten werden. Privat sollen sich höchstens noch fünf Personen aus höchstens zwei Haushalten treffen dürfen. Ausnahmen gelten für Heiligabend und die Weihnachtstage sowie für Silvester.

Kritik wird laut

Kritisch äußerten sich die Westschweizer Kantone: so wurden auch Stimmen gegen eine Schließung der Gastronomie ab 19 Uhr laut. Lukas Engelberger, Gesundheitsdirektor von Basel-Stadt, erklärte auf Anfrage unserer Zeitung: „Dass das Vorgehen des Bundesrates in der Westschweiz, wo die Fallzahlen zuletzt mit großen Anstrengungen gesenkt werden konnten, teilweise auf Unmut stößt, ist nachvollziehbar. Klar ist aber: Die Fallzahlen sind in der ganzen Schweiz zu hoch.“

Es werde sicher nötig sein, die Abläufe im Nachgang zur Krise genauer anzuschauen und Lehren zu ziehen, machte Engelberger deutlich. „Dies gilt auch für zeitliche Abläufe und Entscheide. Klar ist, dass es vor den Festtagen noch einmal eine gemeinsame Kraftanstrengung braucht.“

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