^ Basel: Brutale Klänge, rabiate Dynamik - Basel - Verlagshaus Jaumann

Basel Brutale Klänge, rabiate Dynamik

Die Oberbadische

„Konflikt-Sinfonie“: Konzert der Basel Sinfonietta

Von Jürgen Scharf

Basel. Das erste Konzert in der Saison der Basel Sinfonietta war höchst bemerkenswert und hinterließ gerade beim Hauptwerk einen „unauslöschlichen“ Eindruck. 2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Die Entstehungszeit der vierten Sinfonie des Dänen Carl Nielsen fällt genau in die Jahre 1914 bis 1916. Und das hört man auch. Es ist eine explosive Sinfonie mit dem Beinamen „Das Unauslöschliche“.

Unauslöschlich ist wohl der Mensch und der Schluss der Sinfonie ein Triumph des Humanismus. Zuvor muss der Zuhörer aber einiges an brutalen Klängen über sich ergehen lassen. Der letzte Satz dieser ungeheuren Sinfonie, die man leider nicht so oft hört, ist der „kriegerischste“ wegen seines dramatischen Paukenduells. Zwei Paukenpaare sind auf dem Podium des Musiksaals im Basler Stadtcasino getrennt postiert, und zwei Paukensolisten liefern sich ein brachiales Gefecht. Man wartet natürlich auf diese berühmte Paukenstelle bei dieser „Konflikt-Sinfonie“ – und in der Tat: Die Pauken fahren brutal dazwischen.

Die Pauker der Sinfonietta schenken sich nichts bei diesem ebenso faszinierenden wie wilden und mitreißenden Zweikampf, der von Bläserchorälen begleitet wird. Dieser Schlusssatz gelang der Basel Sinfonietta wirklich enorm intensiv. Aber auch die anderen Sätze ließen den Zuhörer eindrucksvolle Erfahrungen mit diesem bei uns doch eher unbekannten Werk machen.

Mit dem 26-jährigen Boian Videnoff stand kein Routinedirigent am Pult. Der künstlerische Leiter der Mannheimer Philharmoniker hat kein Spannungsmoment in dieser Sinfonie verschenkt und leidenschaftlich glühend mit den Musikern diese Gratwanderung zwischen Modernität und Spätromantik bewältigt. Nur, der Schrecken des Krieges sitzt einem in dieser Musik noch lange im Nacken, auch wenn musikalisch eindeutig das „unauslöschliche“ Leben in dem „Glorioso“-Finale über die Vernichtung triumphiert.

Die Basel Sinfonietta spielte diese Sinfonie mit ungeheurem Drive und Druck, mit hoher Innenspannung und der wirklich nötigen rabiaten Dynamik und Impulsivität. Dabei war die orchestrale Qualität dieses Orchesters erstaunlich. Impulsiv angegangen wurde auch das effektvolle Orchesterstück „Noir“ der chinesisch-amerikanischen Komponistin Fang Man, eine fetzige Farbenkomposition für großes Orchester mit verschiedensten stilistischen Idiomen, die mit ihrem auffahrenden Gestus wie ein Prolog zur Nielsen-Sinfonie wirkte. Die anwesende Komponistin konnte viel Beifall und Blumen entgegennehmen.

Auch diesem impulsiven Mouvement blieb der Gastdirigent nichts an Intensität und perfektem Orchestersound schuldig. Anders als die hierzulande noch wenig bekannte Fang Man gehört der Ungar Peter Eötvös zu den etablierten zeitgenössischen Komponisten und er stand auch wiederholte Male am Dirigentenpult der Basel Sinfonietta. Videnoff war hier ein guter Anwalt für das in kleinerer Ensemblebesetzung aufgeführte Stück „Shadows“, das durch eine ungewöhnliche Aufstellung der Instrumentengruppen auffiel. Die Bläser sitzen mit dem Rücken zum Publikum, was zusammen mit Elektronik und Lautsprechern eine imaginäre Klangbühne ergibt. Im Mittelpunkt dieser Raumklangkomposition stehen zwei Soloinstrumente, für die man mit Ernesto Molinari (Klarinette) und Mario Caroli (Flöte) gefeierte Solisten hatte.

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