Basel „Das Abkommen muss uns Personenfreizügigkeit garantieren“

Die Oberbadische

Interview: Roche-Standortleiter Jürg Erismann über Fachkräftemangel, Steuerreform und Strukturwandel

Basel. Roche investiert im großen Umfang in den Firmenhauptsitz am Rheinknie. Unser Redakteur Michael Werndorff sprach mit Standortleiter Jürg Erismann über aktuelle Entwicklungen und die Herausforderungen im Rahmen der Steuerreform und Bilateralen Verträge mit der Europäischen Union.

Frage: Inwieweit wirkt sich die unter US-Präsident Trump eingeführte Unternehmenssteuerreform in den USA auf den hiesigen Standort aus. Gab es Überlegungen, weniger Mittel zu investieren?

Nein! Es gab keine Überlegungen dieser Art. Das Unternehmen entscheidet Standortfragen grundsätzlich nach inhaltlichen Aspekten, also was an welchem Standort konkret stattfinden soll. Steuerliche Aspekte stehen dabei nicht im Fokus, die Steuerbelastung ist nur einer von vielen Gesichtspunkten.

Frage: Bei zukünftigen Investitionsvorhaben wird der Standort am Rheinknie also nicht das Nachsehen haben?

Jedenfalls nicht im Zusammenhang mit der US-Steuerreform. Was für den hiesigen Standort wichtig ist, ist die Möglichkeit, die besten Talente aus dem Ausland hier anstellen zu können. Das ist für den Basler Standort wichtiger als die Steuerfrage.

Frage: Ein weiterer Aspekt bringt die Steuervorlage 17 mit sich: KMU sollen entlastet werden, große international agierende Unternehmen werden indes stärker zur Kasse gebeten. Wie schätzen Sie die Umsetzung der Reform für Roche ein?

Wir unterstützen die SV 17 und haben ein starkes Interesse daran, dass die Abstimmung zugunsten der Reform des Steuerrechts ausgeht. Wir sind davon überzeugt, dass die Unternehmen Planungssicherheit haben müssen, und es wäre aus gesamtwirtschaftlicher Sicht fatal, wenn es nach dem Scheitern der Unternehmenssteuerreform III erneut zu einer Verzögerung kommen sollte.

Frage: Was wird sich für Roche ändern?

Nicht sehr viel. Wir rechnen mit etwas höheren Steuern, und zwar in einem vertretbaren Rahmen.

Frage: Die Patentbox ist dabei ein wichtiger Aspekt?

Auf jeden Fall. So wie das Konzept nun aufgegleist ist, können wir dahinter stehen.

Frage: Zurück zu den von Ihnen eben erwähnten Fachkräften. Die Bilateralen Verträge mit der EU sind von großer Bedeutung. Was würde geschehen, sollte mit der EU kein Kompromiss gefunden werden?

Wir brauchen ein Abkommen, das äquivalent ist zu den Bilateralen und uns die Personenfreizügigkeit garantiert, wenn wir unser Geschäft in der Schweiz in seiner jetzigen Form weiterführen wollen. Dabei spielt aber nicht nur die Personenfreizügigkeit eine entscheidende Rolle, sondern auch, wie unsere Beziehung als Handelspartner vor dem Hintergrund der Exporte zur EU aussehen soll. Der dritte Aspekt ist die Wissenschaft, die mit der EU über die Universitäten und Forschungsprogramme gekoppelt ist. Hier haben wir als innovatives Forschungsunternehmen ein Interesse, dass das nicht in die Brüche geht.

Frage: Roche bewegt sich in einem sich ständig wandelnden Marktumfeld. In Kaiseraugst mussten deswegen in der Verpackung Stellen abgebaut werden. Sind hier weitere Veränderungen absehbar?

Mit der Stellenstreichung haben wir auf einen Strukturwandel reagiert. Wir werden in Zukunft mehr biologische, dafür aber weniger chemisch basierte Produkte erzeugen. Das führt aufgrund der unterschiedlichen Volumen zu Verschiebungen bei den Personalkapazitäten. Gegenwärtig finden viele Veränderungen statt, denken Sie zum Beispiel an die Digitalisierung, die unser Geschäft stark beeinflusst. Es ist ein ständiger Prozess, sich immer wieder neu auszurichten. Anpassungen in der Größenordnung wie im Bereich Verpackung sehen wir aber nicht.

Frage: Veränderungen betreffen auch ablaufende Patente für wichtige Roche-Medikamente. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen auf Schweizer Standorte, und wie kann Roche die Ausfälle kompensieren?

Wir sind zuversichtlich, die Produkte, deren Patente ablaufen, mit neuen, innovativen Medikamenten zu ersetzen, zum Beispiel mit dem in diesem Jahr lancierten Präparat Ocrevus für Multiple Sklerose oder dem Blutermedikament Hemlibra. Es kommen zahlreiche neue Produkte auf den Markt, mit denen wir das Portfolio erneuern werden. Damit einher geht auch eine Umschichtung in der Produktion. Freiwerdende Kapazitäten werden von neuen Produkten aufgefangen.

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