Basel Echte Hingucker

Gabriele Hauger

Kunst: Neue Sammlungspräsentation

Von Gabriele Hauger

Riehen. Da muss man schon zweimal hingucken: Ein in sich gekehrtes Paar – er in Shorts, sie dauergewellt – hat erschöpft auf einer Bank vor Marc Rothko Platz genommen. Museumsbesucher? Nein. Es handelt sich um zwei Beispiele der hyperrealistischen Skulpturen des US-Amerikaners Duane Hanson (1925-96). Diese werden als „special guests“ in der Jubiläumsausstellung der Fondation Beyeler positioniert.

100 Werke, 30 Künstler

Auf der nahezu gesamten Ausstellungsfläche des Museums werden zum 25-jährigen Bestehen des beliebtesten Kunstmuseums der Schweiz rund 100 Werke von über 30 Künstlern aus der Sammlung neu arrangiert. Klassiker der Moderne, Neuerwerbungen sowie zeitgenössische Kunst gehen dabei einen originellen Dialog mit Hanson’s Werk ein, der fasziniert und neue Perspektiven schafft. Zudem macht die Schau wiederum deutlich, welche Schätze die Fondation ihr eigen nennt.

Natürlich ist der Reichtum der Sammlung bekannt. Dennoch ist es ein Genuss, an van Goghs Weizenfeld, an Rousseaus Löwen mit Antilope, an Matisse’s „Nu bleu“ vorbeizuwandeln. Bevor beim Rundgang der Blick an einem lebensechten Fensterputzer hängen bleibt, der vor der Panoramaglasscheibe des Museumsbaus gerade bei seiner Arbeit innezuhalten scheint. Um die Ecke sitzt – noch verblüffender – ein Gärtner auf seinem Rasenmäher, direkt vor Monets meterlangem Wasserrosen-Oeuvre.

Das Ausstellungkonzept (Kurator ist Raphael Bouvier) fußt auf solchen Provokationen. Diese sind indes keine lustigen Kuriositäten und viel mehr als bloße Spielerei. Sie stehen vielmehr für den durchaus fordernden Lebensalltag von Millionen von Menschen. Sie werden nicht bloßgestellt oder lächerlich gemacht. Vielmehr bilden sie das Leben jenseits von Glanz, Glamour und elitärem Kulturbetrieb ab, präsentieren sich jenseits aller Perfektion ganz würdevoll bei der Arbeit, in der Freizeit, voller Lebenswirklichkeit.

Duane Hanson hat in seiner Schaffenszeit über 100 solch lebensechter Figuren geschaffen, Menschentypen von der Straße, aus der Mittel- oder eher Unterschicht, die sich meist melancholisch und verloren, auch mal komisch, eher aber tragisch präsentieren. Merkmal: Sie scheinen alle innezuhalten in ihrem Alltag, sind verwurzelt in der amerikanischen Lebenswirklichkeit. An einer Stelle wird der Künstler konkreter, kritischer: Eine erschütternde Szene spielt sich im Picasso-Raum ab: Ein weißer Polizist prügelt auf einen am Boden liegenden Schwarzen ein. Diese einzige ausgestellte Arbeit mit aktiver Pose von 1967 ist leider allzu aktuell und beklagt konkret politische Missstände.

Bewusste Kontraste

An einem Cafétisch mit Eis und Badelatschen sitzt ein Paar vor dem Pop Art-Werk Roy Lichtensteins mit seinen blonden Werbeikonen. Die dickliche Frau und der Mann – es ist Hanson selbst – bilden in ihrer schlichten Natürlichkeit einen faszinierenden Kontrast zu dieser Welt der Schönen und der Illusion, auch zur heutigen Zeit des Posens und der Selfies.

Die Skulpturen sind Abgüsse realer Menschen, eine Hohlform aus Silikon, gegossen aus PVC. Anschließend hat der Künstler sie in fast altmeisterlicher Weise mit Öl bemalt, meist Echt-Haare eingenäht und gebrauchte Kleidung verwendet. Auch die beigestellten Objekte sind Readymades. Im zentralen Raum zwischen Anselm Kiefers wuchtigen Arbeiten steht ein Baugerüst, drei Arbeiter machen Pause. Bohrmaschine, Pizzakarton, Coladose, alles ist lebensecht drumrumdrapiert. Auch hier löst die Skulpturengruppe Assoziationen aus: Sie könnten gerade an Kiefers Pyramide gearbeitet haben.

Qualität und Dichte

Die neue Präsentation zeigt rund ein Viertel der Sammlung, sie ist gekennzeichnet von Vielfalt, Qualität und Dichte. Kombiniert mit den hyperrealistischen Skulpturen fällt der Blick neben der Kunst auch auf die Architektur, die Landschaft, die Besucher, die Arbeitenden hinter den Museumskulissen. Ein neuer, moderner Blick, der ganz dem Ziel des Gründers der Fondation gerecht wird: jung zu bleiben und junges Publikum zu begeistern.  30. Oktober bis 8. Januar

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