Basel Fluchtgeschichten in Wort und Musik

Dominique Spirgi
Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss erhielt im Jahr 2017 den Hebelpreis der Hebelstiftung Hausen. In seinem aktuellen Projekt widmet er sich gemeinsam mit der Violinistin Gwendolyn Masin der Geschichte von Menschen in Krisensituationen. Foto: zVg/Frederic Meyer

Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss geht mit der Violinistin Gwendolyn Masin auf die Reise. Das Projekt will mit Texten und Musik Geschichten von Menschen in der Migration, in Kriegen und Konfliktsituationen erzählen.

Mit dem Bühnenprogramm „The Journey“ führen der Autor Lukas Bärfuss und die Violinistin Gwendolyn Masin auf eine künstlerische Reise von Budapest bis Istanbul. Es ist ein lange geplantes Projekt, das durch die Kriege und Krisen viel Brisanz erhielt, wie Bärfuss sagt. Die Uraufführung findet am 1. November im Gare du Nord im Badischen Bahnhof in Basel statt.

„The Journey“ erzählt mit Texten und Musik Geschichten von Menschen in der Migration, in Kriegen und Konfliktsituationen, wie es in der Beschreibung des Projekts heißt. Es ist angesichts der aufflammenden Krisen und Kriege keine einfache Aufgabe, der sich Bärfuss und Masin zusammen mit den Musikern des Origin-Ensemble stellen. „Die Weltlage führt uns eine Gemengelage vor Augen, die unser Projekt einem hohen Aktualitätsdruck aussetzt“, sagt Bärfuss im Gespräch mit Keystone-SDA.

Als das Projekt in den Startlöchern stand, sei Corona hereingebrochen. Und als er zusammen mit Masin die Arbeit am Projekt erneut aufnahm, habe der Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 alles erneut in Frage gestellt.

Reise nicht abgeschlossen

Und nun sei nach dem Terrorakt der Hamas in Israel erneut alles mehr oder weniger aus den Fugen. „Wir wissen alle nicht, was am Mittwoch, wenn wir unser Projekt uraufführen werden, sein wird“, so Bärfuss.

Aber es sei das Privileg der Kunst, dass sie die Instrumente habe, auf solche Situationen zu reagieren. „Unsere Reise ist nicht abgeschlossen. Nichts ist vollständig, alles ist in einer Entwicklung“, sagt er. Musik und Literatur seien offene Prozesse.

Und an der Metaebene des Projekts, der Migration der Menschen, ändere sich nichts. „Es ist eine Konstante der Geschichte, dass Menschen migrieren, dass sie unterwegs sind - aus ganz unterschiedlichen Gründen, freiwillig und unfreiwillig“, sagt Bärfuss.

Nomade trifft Emigrantin

Der zumeist in Zürich lebende Thuner Autor und Dramatiker Bärfuss sieht sich selber als Nomade. „Ich bin nie richtig sesshaft geworden“, sagt er, „physisch und auch mental nicht.“ In seiner Jugend habe er lange ohne festen Wohnsitz gelebt.

Auch seine musikalische Bühnenpartnerin Gwendolyn Masin habe ihre persönliche Migrationsgeschichte, die sie aus unterschiedlichen Gründen von Ungarn nach Holland und über Irland nach Südafrika und dann in die Schweiz geführt und getrieben habe.

Migration als Thema

„Migration ist für uns beide ein intimes Thema“, sagt Bärfuss. Die eigenen Erfahrungen könnten eine Nähe schaffen. „Ich werde mir aber niemals die Erfahrung von Flüchtlingen aus der Ukraine aneignen, ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung berichten, wiedergeben was ich gelesen und was mich geprägt hat, was ich in Minsk, Odessa, Istanbul und Sarajevo in Gesprächen aufgenommen habe.“

In diesen Gesprächen habe er Geschichten gehört von Menschen, die ihre Heimat hätten verlassen müssen, von den Grenzen, die sie hätten überwinden müssen, vom Elend, aber auch vom Glück, das sie auf ihren Reisen angetroffen hätten. „Es geht um die abwehrende Haltung der bürgerlichen, sesshaften Gesellschaft gegenüber den Migranten, den Fahrenden, den Flüchtenden“, so Bärfuss. Menschen würden nie akzeptieren, dass sie ohne Chance sind. „Sie werden immer das Risiko eingehen, auf die Reise zu gehen, um anderswo ein neues Leben zu beginnen.“

Selber sieht sich Bärfuss in der Rolle des Rhapsoden, des wandernden Geschichtenerzählers. Bei „The Journey“ kommt nun die Musik dazu mit einer Uraufführung eines Werks des Lausanner Komponisten Antoine Auberson, weiteren zeitgenössischen Werken von Daniel Schnyder oder Oleg Ponomarev, aber auch älteren Kompositionen von Béla Bartók. Die Violinistin Gwendolyn Masin wird dabei begleitet vom Origin-Ensemble und dem Zimbalisten Milkós Lukács.

Musikbegleitung ist neu

Für Bärfuss ist das direkte Zusammenspiel mit der Musik Neuland. „Es ist überwältigend, wie die Kraft der Musik einen mitträgt“, sagt er. Mit diesen Weltklasse-Musikern zusammenzuarbeiten, sei ein Geschenk und eine Aufgabe. „Ich hoffe, dass ich in meiner Rolle auf der Bühne nicht zu sehr abfallen werde“, sagt Bärfuss.

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