Basel Fragile Zeugnisse der Vergangenheit

Die Oberbadische

Archäologie: Bronzezeitliche Fundstücke aus Riehen präsentiert / Vieles steht nicht zweifelsfrei fest

In zwei Stunden in die Bronzezeit und wieder zurück: Bei der jüngsten Mittwoch-Matinee der Archäologischen Bodenforschung Basel ging es um eine Fundstelle am Haselrain in Riehen, an der Spuren einer Siedlung aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus gefunden wurden. Dabei wurde zugleich deutlich, dass Archäologen teilweise mit geradezu detektivischem Spürsinn Funde und Indizien vergleichen müssen, um daraus ihre Schlüsse zu ziehen.

Von Adrian Steineck

Basel/Riehen. Die Zeugnisse aus der Vergangenheit sind fragil. „Ich bringe hier mal lieber Absperrband an“, sagt Michael Ketzler vor Beginn der Matinee. Dann sichert der studierte Archäologe, der die Ausgrabungen der Archäologischen Bodenforschung Basel dokumentiert, ein teilweise erhaltenes Großgefäß aus der Bronzezeit, welche Historiker für Mitteleuropa auf die Zeit von 2200 bis 800 vor Christus datieren. Das Gefäß fungierte möglicherweise als prähistorischer „Kühlschrank“, indem es in der Erde vergraben worden ist. Genau wisse man das aber nicht, sagt Ketzler.

Arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten

Damit ist bereits ein Grundthema angesprochen, das im Verlauf der zweistündigen Veranstaltung immer wieder aufkommt: Wer die Vorgeschichte erforscht, der stößt unwillkürlich irgendwann an eine Grenze dessen, was sicher gewusst und festgestellt werden kann.

Das beginnt schon bei der Datierung der Funde, die am Haselrain unweit des Sarasinparks gemacht wurden: Stammen die Stücke aus Ton und Holz aus der Zeit von 1310 bis 1157 vor Christus, der mittleren Bronzezeit? Die Radiokarbonmethode ergibt dafür eine Wahrscheinlichkeit von 79 Prozent. Ob ein Gegenstand aus den Jahren 1157 bis 1137 vor Christus stammt, ist zeitlich schon wesentlich detaillierter, lässt sich aber auch nur mit sehr viel mehr Unsicherheit feststellen. „Wir erhalten keine eindeutigen Aussagen, sondern nur unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten“, bringt es Ketzler auf den Punkt. Genauso ist es mit der Frage, wie es mit dem Handel war: Wenn Bronze oder Zinn in die Siedlung im heutigen Riehen gebracht wurden, was gab es dann im Austausch dafür? „Für manche Forscher mag es genügen, wenn man sagt, dass es damals Handel gab“, erläutert Ketzler. Ihm aber sei das mitunter zu wenig. Denkbar sei etwa, dass Rohstoffe aus dem Wiesental gehandelt wurden oder dass es die Metalle etwa im Austausch gegen soziale Versprechen, etwa der gegenseitigen Hilfe im Kriegsfall, gegeben hat.

Doch der Reihe nach: Entdeckt wurde die bronzezeitliche Fundstelle am Haselrain in Riehen im September 2018, wie die Archäologin Susan Steiner den elf Zuhörern darlegte. Im Gegensatz zu Basel, wo es in römischer Zeit und später im Mittelalter rege Bautätigkeit gab und daher von wenigen Ausnahmen abgesehen lediglich einzelne bronzezeitliche Scherben, aber keine Gruben oder Siedlungen entdeckt wurden, ist die Situation in Riehen eine andere. „In Riehen wurden große Flächen nicht überbaut“, sagt Steiner. Daher kamen bei Bauarbeiten auch Spuren einer größeren Pfostengrube, die mit Holzbalken verbunden war, zutage. Gefunden wurden Scherben und Splitter aus Ton und Holz sowie aus gebranntem Lehm. Bronze hingegen wurde kaum gefunden.

Bronze gab es damals fast nur in Grabstätten

Das hat einen einfachen Grund, wie Steiner und Ketzler den elf staunenden Zuhörern erläuterten. Denn Bronze kam in der Bronzezeit vor allem in Grabstätten vor, da sie selten und damit wertvoll war. Hinzu kommt der Umstand, dass Bronze damals meist recycelt, also eingeschmolzen und in Form eines anderen Gegenstands wiederverwendet wurde.

Deutlich wurde sowohl bei den gezeigten Bildern als auch bei einzelnen Fundstücken selbst, die den Besuchern gezeigt wurden, dass die Menschen damals über hohes handwerkliches Geschick verfügten. „Oh, die ist schön“, entfährt es einer Zuhörerin beim Anblick des Bildes einer bronzezeitlichen Vase.

Manches gibt weiter Rätsel auf: Handelt es sich bei dem Stück eines Tongefäßes um einen Kultgegenstand, wie ein Besucher vermutet? Die ungewöhnlich filigrane Verzierung deutet darauf hin. Oder ist es der Deckel zu einem Vorläufer des Römertopfs, in dem etwas geschmort oder gebacken wurde? „Das ist eine der Vermutungen, denen wir nachgehen“, sagt Steiner.

Die Stücke aus der Fundgrube am Haselrain werden jetzt katalogisiert und weiter erforscht, sagt Steiner im Gespräch mit unserer Zeitung. Das werde mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Denkbar sei durchaus, dass die Stücke bei einer weiteren öffentlichen Veranstaltung präsentiert werden oder einmal in einer Ausstellung zu sehen sein werden. Auf jeden Fall sei man guter Dinge, dass man in dem Gebiet um die betreffende Fundstelle im Zuge von Bauarbeiten weitere Zeugen der Vergangenheit findet. „Wir sind dran“, macht Michael Ketzler Hoffnung auf weitere Funde.  Näheres zur Arbeit und den Veranstaltungen der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt unter www.archaeologie.bs.ch.

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