Basel Gefahrguttransporte erhitzen die Gemüter

Die Oberbadische
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Bahn: Sicherheitsmaßnahmen am Badischen Bahnhof: Kantonschemiker sieht Handlungsbedarf

Jedes Jahr gelangen Tausende Tonnen Gefahrgüter in die Schweiz – ein großer Teil davon über den Nord-Süd-Korridor durch das Nadelöhr Badischer Bahnhof. Während das politische Bern und die Deutsche Bahn kaum Handlungsbedarf sehen, die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken, fordert der baselstädtische Kantonschemiker Philipp Hübner die Umsetzung baulicher Maßnahmen.

Von Michael Werndorff

Basel. Piktogramme auf roten Schildern weisen darauf hin: Der Inhalt der Kesselwagen, die nur wenige Meter an den Reisenden auf Bahnsteig 1 im Badischen Bahnhof vorbeifahren, ist giftig, ätzend und umweltgefährdend. Jährlich passieren Tausende Tonnen dieser Substanzen den Bahnhof, wo weder eine Brandschutzmauer noch eine bauliche Einhausung Reisende und Pendler von den Gefahrgutzügen abschirmt.

Zum Hintergrund: Im Jahr 2011 wurden insgesamt 16 000 Tonnen und im Jahr 2014 18 500 Tonnen Chlor auf dieser Strecke transportiert. Für 2030 beträgt die Prognose rund 25 440 Tonnen. Aber auch weniger gefährliche Substanzen weisen einen Aufwärtstrend auf: Beim Benzin werden Jahr für Jahr rund drei Millionen Tonnen transportiert. Die Prognose für 2030 beträgt hier 4,7 Millionen Tonnen, wie der baselstädtische Kantonschemiker Philipp Hübner im Gespräch mit unserer Zeitung erläutert.

Maßnahmen müssen diskutiert werden

Für den Leiter des Kantonslabors Basel-Stadt, welches unter anderem für die Störfallvorsorge verantwortlich ist, steht fest, dass sich in Sachen Sicherheitsvorkehrungen dringend etwas ändern muss: „Heute sind wir im sogenannten Risiko-Übergangsbereich. Dies bedeutet, dass Maßnahmen zur Risikoverringerung diskutiert werden müssen, vor allem, weil die Gefahren nach prognostizierter Zunahme des Gefahrguttransports um 60 Prozent bis 2030 in einem nicht akzeptierbaren Bereich liegen werden. Er hält daher an der Forderung fest, ein Extragleis für solche Transporte zu verlegen oder eine Einhausung zu bauen, um den Brandschutz zu verbessern, wie er auf Nachfrage sagt.

„Und für den Umweltschutz müssen genügend große Havariebecken bei den Brücken über Rhein und Wiese gebaut werden“, ergänzt er. Gerade vor dem Hintergrund des Vierspur-Ausbaus der Bahnstrecke Karlsruhe–Basel müsse endlich gehandelt werden, ist der Kanton Basel-Stadt überzeugt.

Besonders katastrophal würde sich ein Unfall bei Chlorgastransporten auswirken: 30 Prozent der Menschen, die sich in einem Radius von zweieinhalb Kilometern zum Unfallort aufhalten, wären in Todesgefahr, sollten sie das frei werdende Gas einatmen. Hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen hat der Kanton im Rahmen des Plangenehmigungsverfahrens für den Ausbau der Trasse bereits vor zwei Jahren beim eidgenössischen Bundesamt für Verkehr (BAV) Einsprache gegen das Verfahren eingereicht.

Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation teilt unserer Zeitung mit, dass die Risiken von Gefahrguttransporten schweizweit einheitlich beurteilt würden. Diese seien grundsätzlich sehr sicher.

„Auch am Badischen Bahnhof ist das Risiko weit unterhalb des nicht akzeptablen Bereichs.“

Geringeres Tempo beruht auf Freiwilligkeit

Mögliche Maßnahmen im Hinblick auf das in den nächsten Jahrzehnten erwartete Verkehrswachstum würden im Rahmen des laufenden Plangenehmigungsverfahrens zum Vier-Spur-Ausbau auf der Strecke beim Badischen Bahnhof geprüft.

„Eine bauliche Einhausung wäre eine Extremvariante, und es gibt keinerlei Hinweise, wonach eine solche nötig und verhältnismäßig wäre“, erklärte Sprecherin Olivia Ebinger. Das entspricht auch der Haltung seitens der Deutschen Bahn (DB), die weder ein Extragleis noch eine Einhausung bauen will. Laut DB werden Ergebnisse zum Plangenehmigungsverfahren Anfang nächsten Jahres feststehen.

Mit einer Geschwindigkeitsreduzierung auf 40 Kilometer pro Stunde für Chlorgastransporte im Badischen Bahnhof sei es jedenfalls nicht getan, erklärte der Kantonschemiker. Darauf haben sich Wirtschaft, SBB, Bundesamt für Verkehr und Bundesamt für Umwelt (Bafu) verständigt – eine Umsetzung, die für Anfang dieses Jahres vorgesehen war, ist bisher aber noch nicht erfolgt. Der Grund: Die gemeinsame Erklärung ist für die Transportunternehmen nicht verpflichtend und beruht lediglich auf Freiwilligkeit im Sinn der Eigenverantwortung.

Die Chlorgaszüge werden also bis auf Weiteres in nicht reduzierter Geschwindigkeit den Bahnhofsbereich passieren, während in der Schweiz bereits vor drei Jahren Langsamfahrstrecken für diese Art von Transporten eingerichtet wurden, wie Veröffentlichungen des Bafu entnommen werden können. Im Bereich des Bahnhofs Genf Cornavin und auf der Strecke Renens–Lausanne wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h festgelegt. Seit vergangenem Dezember verkehren die Chlorkesselwagen auf der gesamten Strecke Genf bis Monthey mit dieser Geschwindigkeit.

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