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Basel Im Inland einkaufen und Gutes tun

Michael Werndorff
Der Einkaufstourismus nimmt diesseits der Grenze wieder Fahrt auf. Foto: Archiv

Handel: Einkaufstourismus noch nicht auf Vor-Corona-Niveau. Kritik an Kampagne „Shopp Schwiiz“.

Regio - Belebte Einkaufsstraßen, gut besuchte Geschäfte und eine florierende Gastronomie: Die Schweizer Kunden sind nach den Corona-Einschränkungen wieder zurück in südbadischen Grenzstädten. Zwar ist das Vor-Krisenniveau noch nicht erreicht, die Tendenz im Einkaufstourismus ist aber positiv. Derweil sorgt eine Kampagne in der Schweiz, den dortigen Handel zu unterstützen, bei uns für erhitzte Gemüter.

Utz Geiselhart, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden, zeigt sich optimistisch im Gespräch mit unserer Zeitung. „Der Einkaufstourismus läuft an. Die Schweizer kommen wieder.“ Der Handel habe das Vor-Corona-Niveau indes noch nicht erreicht. Kurzum: „Es ist Luft nach oben“, beschreibt er die Lage, die sich über den Sommer hinweg stabilisiert hat.

Grenzschließung und uneinheitliche Corona-Maßnahmen hätten zur Verunsicherung bei den ausländischen Kunden geführt. Noch Anfang Juli sei die Situation unklar gewesen. Da brauche es Zeit, bis die Botschaft bei den Schweizern ankommt, dass ein Einkauf im Südbadischen wieder problemlos möglich ist.

Das ist wiederum den Machern der Kampagne „Shopp Schwiiz“ ein Dorn im Auge.

Einkaufstouristen tun Schlechtes und sollten sich schämen – diese Botschaft vermittelt eine Kampagne, die von der Swiss Retail Federation, Agro-Marketing Suisse (AMS) und dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) ins Rollen gebracht wurde. Plakate und Online-Anzeigen appellieren an das Gemeinschaftsgefühl der Eidgenossen und rufen zu Solidarität auf.

Der grenznahe Schweizer Einzelhandel hat vom Einbruch des Einkaufstourismus profitiert. Das soll auch in Zukunft so bleiben: „Wir wollen mit unserer Kampagne die Schweizer Bevölkerung sensibilisieren und motivieren, ihre Einkäufe weiterhin in der Schweiz zu tätigen“, erklärte SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler beim Kampagnenauftakt. Wer statt im Ausland im Inland einkaufe, tue Gutes. „Er sichert Umsätze und Arbeitsplätze und macht es so möglich, dass Schulabgänger eine Lehrstelle finden und in den Arbeitsmarkt eintreten können“, wurde er in der Aargauer Zeitung zitiert. Der Schweizer Einzelhandel verbuche durch den Einkaufstourismus immerhin Einbußen in Höhe von neun bis elf Milliarden Franken pro Jahr.

Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, kritisiert die Kampagne. Einkaufstourismus sei keinesfalls zum Schämen. In einer Region wie Europa mit offenen Grenzen und vernetzten Volkswirtschaften bleibe es nicht aus, ja, es sei im Sinne eines funktionierenden Binnenmarktes geradezu erwünscht, dass die Menschen in Grenzregionen verfügbare Vorteile von der anderen Seite für sich nutzen. „Im europäischen Binnenmarkt etwa wird der Reimport von Kraftfahrzeugen offiziell gefördert, um einen offenen Markt herzustellen. Und auch die Schweizer Inlands-Kunden profitieren nachweislich vom Einkaufstourismus, hat er doch dazu geführt, dass sich das ungewöhnlich hohe Preisniveau im Inland merklich abgesenkt hat“, berichtet Marx.

Einkauf im Internet wohl der größte „Einkaufstourismus“

Einkaufstourismus gebe es zudem an allen deutschen Außengrenzen – mal in die eine (etwa aus Dänemark nach Schleswig Holstein), mal in die andere Richtung (etwa aus Berlin und Brandenburg nach Polen). Und auch im Inland legten Verbraucher größere Entfernungen zurück, um Preisvorteile beim Einkauf zu realisieren - etwa zu großen Einkaufszentren oder von ländlichen Regionen in Großstädte. „Das wird in der Schweiz nicht anders sein.“

Und schließlich sei der Einkauf im Internet – der vermutlich größte „Einkaufstourismus“ der Welt – nichts anderes als ein Einkauf an anderem Ort und in anderen Ländern – der Unterschied zum Einkaufstourismus vor Ort liege allein darin, dass die Bewegung hier nicht vom Kunden, sondern vom Versender organisiert werde: nicht der Kunde reise, sondern das Produkt.

So unsinnig wie der moralische Vorwurf gegenüber Einkaufstouristen ist auch sein Gegenteil: „Schämen muss sich natürlich auch nicht, wer regional einkauft, um die heimische Wirtschaft zu stärken. Wer so denkt und handelt, sollte sich weder Nationalismus noch protektionistisches Denken vorwerfen lassen.“ In einem freiheitlichen Land sei das eine wie das andere legitim. „Dass aber offene Grenzen dem gesamtwirtschaftlichen Erfolg auf beiden Seiten besser bekommen als wie auch immer geschlossene, dürfte unstreitig sein.“

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