Tatsächlich reicht Kaufmanns Ambitus vollmundig bis ins tiefere Baritonregister. Und fraglos hat der Tenor auch die Stimme für die hohen und leichten Töne. Das konnte alles sehr gefallen, wie er diese thematisch todesverhaftete Musik eher instrumental singt, nicht in Opernmanier verfällt, sondern das Liedfach ernst nimmt, gerade das Ermüdete in „Der Einsame im Herbst“ liedhaft, lyrisch und verinnerlicht angeht.
Da war also wirklich ein Wechselgesang zu erleben zwischen lustig-behaglich heiteren Tenorliedern und melancholischem Baritontimbre im schweren, verklärten „Abschied“. Und doch stellte sich auch im Goetheanum-Saal die Frage nach der Balance zwischen vokaler und instrumentaler Ebene. Auch wenn Kaufmann sehr auf die Lautstärke des Orchesters achtete, wurde der Gesang stellenweise übertönt. Hier hätte Jochen Rieder am Pult, ein Dirigent, mit dem der Sänger langjährig vertraut ist, das Orchester ruhig etwas zurücknehmen können. Denn sobald es leiser wurde, konnte sich Kaufmanns Organ sehr schön und textverständlich entfalten.
Der symphonische Zusammenhang des komplexen sechsteiligen Zyklus wurde so aber gewahrt, und die Basler durften in allen Gefühlslagen zwischen Freudentanz und Trauermarsch schwelgen. Zuvor hatte das Orchester die zwischen Vergangenheit und Gegenwart schwebende Klanglichkeit in „Rendering“, einem Fragment zur geplanten zehnten Sinfonie von Schubert, rekonstruiert von Luciano Berio, erstaunlich einfühlsam und durchsichtig herausgearbeitet.