Basel Kapitalismus-Kritik als Knallbonbon

Die Oberbadische
Foto: Sandra Then Foto: Die Oberbadische

Premiere: Die Dreigroschenoper am Theater Basel unter der Regie von Dani Levy mit schrägen Gags

Von Dorothee Philipp

Basel. Die Dreigroschenoper ist für das Klinikpersonal von Mammon 1 die „therapeutische Wunderwaffe“, mit der die schwer gestörten Insassen – alles Leute aus Hochfinanz und Großkapitalismus – als Schauspieler ihre Psychosen ausleben können. Das ist der Kniff, mit dem Regisseur Dani Levy das Brecht-Spektakel für die neue Basler Inszenierung in ein zeitgemäßes Mäntelchen steckt, das viel Spielraum für allerhand schräge Gags lässt.

Der Kapitalismus als von innen zerstörende Krankheit, das hätte auch Brecht gepasst. Wir sind im Irrenhaus. Das sieht man auch, nachdem das Publikum von der in japanischen Lauten zischenden und knackenden Klinikdirektorin (Nahoko Fort-Nishigami) und einer auf den Vorhang projizierten Übersetzung mit den jeweiligen Macken der Patienten bekannt gemacht wurde. Alle Kostüme haben diese überlangen Zwangsjacken-Ärmel und stehen hinten wie OP-Hemdchen offen.

Dani Levy setzt auf maximale Dynamik, die Drehbühne ist ein wirrer Kosmos aus Felslandschaft, Seerosenteich mit echtem Wasser (der bei der Hochzeitsszene kurzerhand zum „Pferdestall“ erklärt wird), Brückchen und Treppchen und einem japanischen Tempelchen. Hier geht es im wahrsten Sinne des Wortes rund.

Fetzen der Deko-Bäume fliegen

Hinten oben in einer Art halbrundem Wartezimmer kümmern sich zwei Pflegerinnen mit futuristischen weißen Plastik-Schwesternhauben um die Schauspieler, die nicht gerade in Aktion sind. Das Kuckucksnest lässt grüßen. Ein Blickfang ist der elliptische Drahtkäfig, in dem erst ein gigantischer Plüsch-Karpfen (kein Haifisch) seine Runden dreht und der später zum Gefängnis für Macheath wird. Ein multifunktionales Strukturelement auch zum Draufklettern, auf dem sich Polly (Paula Hans) und Lucy (Pia Händler) eine hysterische Eifersuchtsszene liefern, bei der die Fetzen der Deko-Bäume fliegen.

Mackie Messer (Thiemo Stritzenberger) singt seine Moritat vom Haifisch mit erstaunlicher Wandlungsfähigkeit: Zuerst steht er wie unter Drogen herum und stammelt seine Verse, dann gewinnt er an Boden, bis zum Schluss der schillernde Schwerenöter zum Vorschein kommt, dem die Damen zu Füßen liegen.

Einen ausgezeichneten Auftritt hat Paula Hans als Polly Peachum. Ihre dramatische Spanne vom hellen Kinderstimmchen bis zum dreckigen Huren-Gegröle kontrastiert effektvoll mit ihrer zierlichen Tänzerinnen-Figur.

Einen knalligen Farbklecks in der Szenerie bietet Cathrin Störmer als Frau Peachum, eine autoritäre Matrone in gelbem Plissee, die in der Ballade von der sexuellen Hörigkeit wie ein Riesenkürbis auf der Bühne thront.

Ein besonderes Schmankerl war dem Premierenpublikum vorbehalten: Da Thomas Reisinger als Jonathan Peachum erkältungsbedingt nicht zum Singen in der Lage war, vertrat ihn hier sozusagen als Alter Ego Klaus Brömmelmeier aus Zürich, gewandet als Krankenpfleger mit Klemmbrett, immer dicht am Mann, ein wandelndes Doppelgängerbild. Schade, dass die Hüter des Brecht-Nachlasses diesen genialen Kunstgriff nur für den einen Abend erlaubt hatten.

Als Huren auftretende Bettler

Ein köstlicher Gag sind die als Huren auftretenden Bettler Jonas Anders, Vincent Glander und Ingo Tomi mit bizarren Haarteil-Perücken, die irgendwie von japanischen Geishas geklaut scheinen. Und mittendrin die leuchtend rot gestylte Spelunkenjenny (Myriam Schröder) mit wippenden Glitzertroddeln an den Nippeln.

Die Musik von Kurt Weill ist bei der Basel Sinfonietta in besten Händen. Das Ensemble musiziert mit exotischen Zutaten wie Bandoneon und allerlei Percussion, in klassischer Gestik, sauber und edel, macht die zupackenden Rhythmen, die Weill aus den verschiedensten Stilrichtungen entlehnt hat, zu einer Art festen Anker im turbulenten Geschehen. Die Bühnenlandschaft eignet sich hervorragend für das malerische Anordnen von Massenszenen, das Dreigroschen-Finale mit allen Darstellern als Chor erinnert in seiner Eindringlichkeit an die Turba-Chöre der Bach-Passionen.

Viel zu sehen und zu lachen gibt es in der Basler Inszenierung, die Botschaft von der zersetzenden Macht des Kapitalismus ist bunt verpackt wie ein Knallbonbon, aber die Theorie kennen wir ja. Und zum Schluss sollen wir Anteile erwerben für die Gründung weiterer Mammon-Kliniken im Weltall.   Termine: 12., 18. Februar; 9., 14. und 28. März

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