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Basel Kleidungsstücken ein zweites Leben schenken

Adrian Steineck
Michelle Tamar lässt ihre Kunden an dem teilhaben, was sie selbst gerne trägt. Das kommt bei der Zielgruppe an. Foto: Fotos: Adrian Steineck

Selbständigkeit: Basler Jungunternehmerin verkauft gebrauchte Mode

Vom Nebenjob während des Studiums hin zum international agierenden Versand: Diesen Schritt hat Michelle Tamar aus Basel vollzogen. Die 25-Jährige verkauft via Internet gebrauchte Mode vorwiegend aus den 2000er-Jahren und sagt von sich selbst: „Eigentlich wollte ich nie ein Geschäft gründen.“

Von Adrian Steineck

Basel. Angefangen hat alles damit, dass sie sich neben dem Studium etwas dazuverdienen wollte, erzählt Michelle Tamar im Gespräch mit unserer Zeitung. Also verkaufte sie im Internet ungetragene Stücke aus ihrem Kleiderschrank. Zunächst tat sie dies über eine bereits vorhandene Online-Kleiderbörse. Bald aber schaltete sie eine eigene Internetseite auf, über die sie ihre Fundstücke von Flohmärkten und Brockenstuben, den schweizerischen Gebrauchtwarenläden, verkaufte.

Sprung in die Selbstständigkeit

Im Februar 2021 schließlich wagte die gebürtige Argentinierin, die in Brasilien aufgewachsen ist, in Schottland Kommunikation und Internationale Beziehungen studiert hat und seit 2019 mit ihrer Familie in Basel lebt, den Sprung in die Selbstständigkeit.

Im Angebot hat die 25-Jährige Kleidung aus den 1990er- und den 2000er-Jahren. Mittlerweile verschickt Tamar ihre Ware praktisch weltweit, selbst nach Taiwan hat sie schon Pakete auf den Weg gebracht. Dabei betätigt sie sich mitunter als virtuelle Stylistin. „Man kann sich bei mir melden und sagen, was man will, also, ob man etwa auf den Gothic-Style mit dunklen Farben steht“, sagt sie. Tamar stellt dann ein Paket zusammen mit Stücken, die ihrer Zielgruppe gefallen könnten. Den Kontakt zu ihren Kunden, die größtenteils unter 30 Jahre alt sind, hält Tamar in erster Linie über die sozialen Medien. „Ich lasse die Leute daran teilhaben, was ich selbst gerne anziehe“, sagt sie und ist sicher: „Die Leute wollen heutzutage eine persönliche Bindung zu einem Geschäft aufbauen, bei dem sie häufiger einkaufen.“

Abläufe hat sie nach und nach kennengelernt

Beim Besuch in ihrem Studio erzählt die 25-Jährige auch, sie sei froh darüber, dass ihr Geschäft organisch gewachsen sei. So habe sie Zeit gehabt, sich in die Abläufe einzufinden. „Ich habe ja nicht Betriebswirtschaft studiert, ich lerne das alles erst so nach und nach“, sagt sie. Hat es besonderen Mut gebraucht, um im Februar 2021, also bereits während der Corona-Pandemie, ein eigenes Geschäft zu gründen? „Ich weiß nicht, ob das besonders mutig war“, sagt Tamar nachdenklich.

Zeichen für Nachhaltigkeit

Sie habe die Erfahrung gemacht, dass gerade seit Beginn der Pandemie viele Leute in ihrem Alter ein Unternehmen gründen würden. „Man hat dann mehr Kontrolle über seine Entscheidungen“, sagt sie, das sei sicherlich einer der Beweggründe, der da mit hinein spiele. Diese Kontrolle hatte sie bei ihrer vorherigen Tätigkeit nicht. Sie war bereits zuvor für ein großes Modeunternehmen tätig, merkte aber, dass dies in dieser Form nichts für sie war. „Viele große Unternehmen scheren sich wenig um die Nachhaltigkeit“, sagt sie. Es sei ihr wichtig, hier zumindest im Kleinen ein Zeichen zu setzen und Kleider zu verkaufen, die bereits ein Vorleben hatten und die nicht eigens produziert werden mussten. „Man kann jedes Teil, das man will, auch gebraucht finden“, ist sie überzeugt.

Zugleich aber hat sie Verständnis dafür, dass auch kostengünstig produzierte Ware, die meist in Niedriglohnländern produziert und dann etwa nach Deutschland oder in die Schweiz verschifft wird, ihre Käufer findet. „Wenn jemand ein niedriges Einkommen hat und sich trotzdem modisch kleiden will, wird er bei Billiganbietern kaufen“, sagt sie. Daraus solle man niemandem einen Vorwurf machen. Aber es sei ihr wichtig, zu zeigen, dass es auch nachhaltiger geht. Ja, auch sie verschicke ihre Stücke international, was nicht emissionsfrei ablaufen könne. „Aber ich verkaufe Kleidung, die es schon gibt und die nicht eigens produziert worden ist“, sagt Tamar.

Etwa 150 Bestellungen im Monat

Derzeit gehen bei Tamar, die ihre Ware unter anderem von Lieferanten in Frankreich erhält und mittlerweile eine Assistentin beschäftigt, etwa 150 Bestellungen im Monat ein. Sie könne mittlerweile davon leben, sagt sie. Dass sie dabei 14 Stunden und mehr in ihrem Studio verbringt und praktisch kein freies Wochenende hat, nimmt sie für ihre Leidenschaft gerne in Kauf. „Ein wenig kurios ist es ja schon, dass ich einen Nine to Five-Job gegen einen 24/7-Job eingetauscht habe“, sagt sie schmunzelnd. Sie sei aber zugleich froh, dass sie etwas tun könne, das sie liebe: Kleidern ein zweites Leben spendieren.

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