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Basel Marshalls ganz eigene Improvisationen

Die Oberbadische
Wayne Marshall dirigierte vom Klavier aus das Sinfonieorchester Basel bei der „Hommage an Bernstein“. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Sinfonieorchester: Hommage an Leonard Bernstein und George Gershwin im Musical Theater Basel

Von Jürgen Scharf

Basel. Spätestens beim rhythmisch mitreißenden Mambo aus den Sinfonischen Tänzen der „West Side Story“ ist die Stimmung im Musical Theater bei der „Hommage an Bernstein“ auf dem Siedepunkt angelangt. Da geht es hitzig zur Sache, vor allem in den Blechbläsern und beim Schlagzeug, wo der brodelnde Klang von New York City entsteht.

Schnelle Tempi, nervöser Rhythmus, scharfe Akzente – die Anforderungen an das orchestrale Zusammenspiel sind in diesem Satz aus Leonard Bernsteins populärstem Orchesterstück enorm. Mit Wayne Marshall steht ein Spezialist für diese Musik zwischen U- und E am Pult des Sinfonieorchesters Basel. Die pulsierende Musical-Ballettmusik fetzt somit in jeder Beziehung: der rasante Mambo mit vokalen Einwürfen der Orchestermusiker, der lässige Cha-Cha und die raffinierte jazzige „Cool“-Fugue.

Das Schlagwerk ist stark gefordert bei den gehetzten, energischen rhythmischen Gesten, was sich im Extra-Applaus für die entfesselt agierenden Schlagzeuger spiegelte. Flott, vital und prägnant folgte das Orchester dem Gastdirigenten auch in der Ouvertüre zu „Candide“, zeigt sich überhaupt bei dieser Gala zum 100. Geburtstag des Tausendsassas Bernstein verwandlungsfähig.

Da hat man doch erst noch französisch „gebüffelt“, um das impressionistische Repertoire zu erarbeiten, und jetzt diese vertrackten Amerikanismen. Das für den Klang der 50er Jahre typische Saxofon und Xylofon und die speziellen, für Amerika typischen Phrasierungen, die Dämpfer, die Effekte der Blechbläser, der Swing, das Jazz-Feeling und die Blue Notes.

Große Unterhaltung brachte Broadway-Import Kim Criswell in Liedern aus dem Songbook von Bernstein auf die Bühne. In den Songs und Evergreens aus Musicals und Opern wie „Trouble in Tahiti“, „West Side Story“ und „Wonderful Town“ rückt die ausgebuffte amerikanische Showsängerin den Figuren und deren Launen mit imposanter Musicalröhre auf den Leib, allerdings in den sanglichen Nummern etwas tremolierend. Und natürlich kann man Bernsteins White House-Hymne („Take Care of This House“) aus „1600 Pennsylvania Avenue“ in Zeiten von Trump nur unterschreiben.

Das Geburtstagskonzert war aber nicht nur ein reiner Bernstein-Abend, auch das berühmteste Werk des anderen Fixsterns und Wegbereiters George Gershwin, die Rhapsody in Blue, diente als Zugpferd. Hier machte es Marshall Bernstein nach, er saß selber am Klavier und dirigierte das Orchester. Doch was heißt saß? Marshall springt vom Klavierhocker auf, gibt die Einsätze, spielt im Stehen. Allerdings war das nicht unbedingt der originale, sinfonisch-klassische Gershwin, sondern Marshalls „Rhapsody“, mit ganz eigenen Improvisationen, sehr jazzy, völlig frei, mit knisternden Variationen über einzelne Motive, also mehr eine Paraphrase über Gershwins Dauerbrenner.

Bei allem rhythmischen Elan dieses dirigierenden Pianisten ging bei diesen langen jazzigen Soloausflügen des Klaviers doch etwas der sinfonische Zug „flöten“. Hörspaß war bei dieser musikalischen Momentaufnahme allerdings garantiert.

Als Special Guest wurde der Schweizer in New York, Daniel Schnyder, freudig begrüßt, mit einer Uraufführung seiner „Ballad and Riffs for Bernstein“, mit ihm selber am Saxofon und dem Bassposaunisten des Orchesters, Domenico Catalano, als Solisten. Diese innovative Mischung aus Jazzballade und kurzen Jazzriffs bezieht sich auf Charakteristisches in Bernsteins Musik, ist aber in dem harmonischen Kontext aus Neuer Musik und Freejazz ureigener Schnyder. Der Zürcher Saxofonist verausgabte sich sichtlich und hörbar in dem Auftragswerk des Sinfonieorchesters: eine auskomponierte Verbeugung und ein Gruß an „Lenny“.

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