Basel Mit Luft von anderen Planeten

Jürgen Scharf
Im Pierrot-Kostüm führte die Stargeigerin Patricia Kopatchinskaja Schönbergs „Pierrot Lunaire“ und Strauß-Walzer in Riehen auf. Foto: Jürgen Scharf

Konzert: „Pierrot Lunaire“ bei Classiques.

Riehen - Schon die Uraufführungs-Interpretin bestand darauf, in einem Pierrot-Kostüm aufzutreten. Da wollte Patricia Kopatchinskaja in dem expressionistischen Gedichtzyklus „Pierrot Lunaire“ von Arnold Schönberg nicht nachstehen. Die Weltklassegeigerin hatte in der Reihe „Classiques!“ am Freitagabend die Sprechgesangpartie in diesem Klassiker der Moderne übernommen. Sie kam in einem weißen Harlekinkostüm mit Halskrause und weiß geschminktem Gesicht zu diesem inszenierten Konzert auf die Bühne im Saal des Landgasthofs in Riehen.

Mit Musikalität und viel Exzentrik

Mit ihrer Musikalität und attackierenden, packenden Art, aber auch mit viel Exzentrik bewegt sie sich Kopatchinskaja in diesem Stimmzyklus mit ihrer Sprechstimme zwischen Ernst und Parodie. Natürlich hält sie sich absolut an die Vorgaben des Komponisten, der in diesen 21 Nummern fordert: „Nicht zum Singen bestimmt“.

Die Interpretin muss die Melodie in der jeweiligen Tonhöhe in eine Sprechmelodie umwandeln. Sowohl die blass-fahlen, bleich-morbiden Texte („alter Duft aus Märchenzeit“) als auch die exaltierten, entfesselten Stellen („blankes Türkenschwert“) trägt die Geigerin, die für einmal ins Gewand der Sprecherin schlüpft, mit starker Gestik, clownesker Verschmitztheit und unübertrefflicher Klangsensibilität vor.

Kopatchinskaja hat eine große Palette an Ausdrucksgesten und das Gespür für die besonderen Farbwerte. Wenn sie vom „todeskranken Mond“ erzählt, legt sich eine besonders dunkle Farbe über ihre Stimme; bei „Mond“ stülpt sie dem Vokal „o“ ein instrumentales Vibrato über. Jedes Wort bekommt bei ihr eine besondere Bedeutung, teils lautmalerisch mit verstellter Stimme in der Höhe. Dieser Sprechgesang, der keiner ist und der auch nie an Singen erinnert, wirkt theatralisch und hat das, was Schönberg fordert: absolute rhythmische und intonatorische Präzision.

Halsbrecherische Stimmführung

Vielleicht war sie da und dort etwas zu sehr harlekinesk, manieriert und überprononciert in der halsbrecherischen Stimmführung. Aber sie bleibt doch lyrisch und humoristisch zugleich. Durch ihre lustvolle musikalische Darbietung wird manche Strophe („Schwarze Riesenfalter“ oder „Der Sonne Glanz“) geradezu körperhaft spürbar. Diesem Klassiker der Moderne haucht die Sprecherin, exquisit vom Ensemble der Camerata Bern mit Tamara Stefanovich am Klavier begleitet, wirklich „Luft von anderen Planeten“ ein.

Im Pierrot-Kostüm spielt Kopatchinskaja temperamentvoll auch auf ihrer Geige bei dem mit, was dieses Programm zu einem delikaten gemacht hat: Johann Strauß-Walzer in kammermusikalischen Arrangements von Schönberg, Alban Berg und Webern in origineller Instrumentation mit Akkordeon. Ihre Pizzicati im „Kaiserwalzer“ waren hinreißend.

Ein paar Späßchen hat man sich in den Walzern erlaubt, in „Wein, Weib und Gesang“ vor der Coda mitgesungen und im „Schatzwalzer“ durfte sich der pausierende Klarinettist Reto Bieri gemütlich zurücklehnen und Pfeife rauchen.

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