Basel Schweizer Kühe im Wandel der Zeit

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Kühe auf einer Alm Foto: pixabay

Das Hausrind hat sich über die Jahrhunderte hinweg genetisch immer wieder verändert.

Die Kuh gehört zum Schweizer Landschaftsbild. Ursprünglich aus dem Nahen Osten stammend, ist das Hausrind seit der Jungsteinzeit auch auf dem Gebiet der heutigen Schweiz das wichtigste Haustier und wird auf verschiedene Arten genutzt. „Seine Milch ist seit dem vierten Jahrtausend vor Christus Teil der menschlichen Ernährung, als Zugtier kam es bis ins 20. Jahrhundert nach Christus zum Einsatz“, sagt Sabine Deschler-Erb, Professorin für Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie (IPNA).

Im Laufe der Zeit haben sich die landwirtschaftlichen Praktiken und die Anforderungen an die Leistung der Tiere immer wieder gewandelt – mit Einfluss auf die genetische Vielfalt. Die Archäozoologin und ihr Team wollten diese Entwicklungen nachvollziehen und haben dafür Tierknochen aus verschiedenen Gebieten der Schweiz näher untersucht. Dabei konnten die Forschenden auf die Fundstücke und die Informationen verschiedener Kantonsarchäologien zurückgreifen. Die Resultate veröffentlichten sie nun im Fachjournal „Diversity“.

Bronzeskulptur eines Stiers, Fundort Augusta Raurica Foto: zVg/Uni Basel

Schwankende Vielfalt

„Die durchschnittliche Körpergröße war nicht zu allen Zeiten gleich. Wie es dazu kam, zeigt ein Blick auf die Genetik“, sagt José Granado, spezialisiert auf DNA-Untersuchungen und Erstautor der Studie. Analysen von mitochondrieller DNA, die im Gegensatz zum Erbgut der Chromosomen nur über die Mutter weitergegeben wird, lassen die genetische Abstammung der Tiere erkennen. Die Vielfalt des Genpools nimmt im Laufe der Zeit mal zu, dann wieder ab, so die Erkenntnis.

Einen Anstieg an Diversität gab es im 1. Jahrhundert vor Christus. „Diese lässt sich am besten durch den Import neuer Tiere erklären, die in den lokalen Bestand eingekreuzt wurden“, sagt Granado. Das ist kein Zufall: In dieser Zeit ließen sich die Römer nördlich der Alpen nieder und brachten Rinder aus ihrer Heimat mit.

Eine intensivere Form der Landwirtschaft sollte die wachsende Bevölkerung ernähren. Es brauchte größere Ackerbauflächen sowie kräftigere und entsprechend größere Arbeitstiere, um sie zu pflügen und zu düngen. „Durch Züchtung wollte man diese Eigenschaften pushen“, erklärt Granado.

Art der Landwirtschaft

Im 3. und 4. Jahrhundert nach Christus zogen sich die Römer wieder zurück. „Im folgenden Frühmittelalter wurde die Landwirtschaft kleinteiliger, die Menschen waren wieder vermehrt Selbstversorger“, sagt Deschler-Erb. „Große Rinder, die viel Platz und Futter brauchen, waren da eher ein Nachteil für einen einzelnen Hof.

Die möglicherweise bessere Wahl waren Schweine, denen man auch Speisereste füttern oder die man für das Fressen von Eicheln in den Wald schicken konnte.“ Zwar hielten die Menschen weiterhin Rinder, züchteten aber mit dem bestehenden Material. Die genetische Vielfalt sank in der Folge, mit der Zeit war auch der Wuchs der Tiere wieder kleiner.

Wie sich Rinder innerhalb einer bestimmten Region entwickelten, ist bisher kaum untersucht. Die Basler Studie ist die erste, die dies leistet, überdies über einen so langen Zeitraum – von der Steinzeit bis ins frühe Mittelalter.

Bedeutung der Knochen

„Gerade weil Nutztiere so eng mit den Menschen zusammenlebten, sind ihre Überreste eine Fundgrube für Informationen zu soziokulturellen Veränderungen: neue Wohnformen, Ernährungsweisen, Bevölkerungsgröße, landwirtschaftliche Praxis“, sagt Deschler-Erb.

DNA-Analysen von Knochenmaterial seien allgemein beliebt, um mehr über vergangene Populationen zu erfahren. Von Haustieren sind sie in größerer Zahl vorhanden als von Menschen. „Wenn man verschiedene Techniken miteinander kombiniert, lässt sich das bereits vorhandene Archiv weiter untersuchen, zum Beispiel im Hinblick auf die Milchleistung oder den Fleischertrag“, sagt Granado.

Genpool schrumpft

Die Wellenbewegungen in der Genetik des Hausrinds sind bis heute zu beobachten. „Will man wie in den letzten Jahren mit regelrechten Milchmaschinen die Produktivität hochhalten und befruchtet tausende Kühe mit den Samen eines guten Zuchtbullen, schrumpft der Genpool“, erklärt Granado.

Es gibt aber auch Gegenbewegungen: Die Stiftung Pro Specie Rara setzt sich für den Erhalt selten gewordener Nutztierrassen ein und auch im Biolandbau gelten andere Maßstäbe. „Es ist denkbar, dass künftige Entwicklungen eher wieder weg kommen von der einseitigen intensiven Nutzung, weil sich zum Beispiel das Konsumverhalten oder die ethischen Maßstäbe verändern“, sagt Deschler-Erb.

Auch das passt in die Geschichte des Hausrinds: „Es gab immer wieder Zeiten, in denen die Diversität gesunken ist“, sagt Granado – etwa in der Eisenzeit: „Da tendierte die Vielfalt gegen Null.“ Seither hat sich die Genvielfalt wieder vergrößert. Ein solcher Trend lässt sich also auch umkehren.

Die archäologische DNA-Analytik gehört dabei zu den wichtigen Forschungsmethoden. Angela Schlumbaum, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich IPNA, etablierte sie in den 1990-Jahren in Basel, als die Genetik in der Archäologie ein Novum war.

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