Basel Show mit Broadway-Format

Jürgen Scharf
Delia Mayer glänzt als glamouröse Chefredakteurin Liza Elliott. Foto: Hoehn

Theater: Kurt Weills Musical „Lady in the Dark“ feiert in Basel Premiere

Von Jürgen Scharf

Basel. Der Broadway in Basel: Kurt Weills Musical „Lady in the Dark“ kommt als rasante Show, mit einer schmissigen Choreografie, hochkarätiger Besetzung, witziger Sprachvirtuosität und schwungvoller Orchesterbegleitung als buntpralle Revue auf die Große Bühne des Theaters.

Die Inszenierung ist ganz auf Liza Elliott, die Titelfigur der „Lady“, zugeschnitten. Die aus dem Schweizer „Tatort“ bekannte Delia Mayer spielt diese glamouröse Chefredakteurin des Modemagazins „Allure“, die die merkwürdigsten Sachen träumt. Als gloriose Singschauspielerin trägt sie die ganze Produktion mit ihrer strahlenden, charismatischen Bühnenpräsenz.

Delia Mayers „Lady“ ist oldfashioned, gibt das überzeugende Bild einer Workaholikerin ab, die über ihren Mitarbeitern thront, mit wenig Verständnis für Work-Life-Balance. Das Stück, das die Modewelt mit einem Schuss Psychoanalyse verbindet, handelt von Lizas Träumen. Sie kämpft mit Depressionen und Lebensangst und macht eine Psychotherapie.

Neben Fashion und Beauty geht es um die Traumarbeit. In vier Träumen läuft Lizas Leben in Rückblenden, Dialogszenen und durchkomponierten Traumsequenzen ab, kleinen Mini-Opern: dem Glamour-Traum, bei dem sie sich als Topmodel sieht, dem Hochzeitstraum, der katas–trophal endet, dem Zirkustraum, der zum Tribunal wird, weil sich Liza nicht entscheiden kann zwischen zwei Coverbildern und zwei Männern, und dem Kindheitstraum, wo sie schon in der Schulzeit als „hässliches Entlein“ traumatisiert wird.

Bühnenbild ist Hingucker

Ein Hingucker sind das opulente Bühnenbild von Sarah Katharina Karl und die stylischen Kostüme von Esther Biallas. Gleich im ersten Traum hängt der Himmel voller Rosen und die ganze Bühnenfläche ist ein einziges Blütenmeer.

Regisseur Martin G. Berger, dem Basel schon die Erfolgsinszenierung des Kultmusicals „Ein Käfig voller Narren“ verdankt, übersetzt die Traumgedanken Lizas in bizarre Bilder und überträgt seine visuellen Eindrücke auf Filmprojektionen (Videodesign: Vincent Stefan). Berger verzichtet auf die Psychiatercouch; Lizas Traumdeutung erfolgt vor dem Vorhang, die Stimme der Therapeutin kommt aus dem Off.

Schrill, fantastisch und turbulent geht es bei den Traumverzerrungen zu. Riesigen Spaß macht eine Parodie des tanzenden Modezars Karl Lagerfeld in einer irren Szene mit Modeshooting und Models in Posen. Arg dick auf die Tube drückt Berger, wenn er im Glamour-Traum Liza in eine „Sexbomb“-Karikatur verwandelt. Alles ist quietschbunt in diesen überdrehten Traumsequenzen.

Im Traum singt Liza ihre große Nummer, die Ballade von Jenny, und nach ihrer Selbstfindung den Erfolgssong „Mein Schiff“ – zwei Hits, die Delia Mayer im silbergrauen Business-Hosenanzug mit stimmlichem Glanz und betörender Kunst darstellt.

Stefan Kurt, der den Modefotografen Russell spielt, wird in der humoristischen Vaudeville-Einlage „Tschaikowsky“ zum Neben-Star der Aufführung. Wie er diesen Zungenbrecher, 50 unaussprechliche russische Komponistennamen, in halsbrecherischem Tempo und Stakkato herunterrattert, ist schon sensationell.

An Charakteren gedreht

Der Regisseur, dem Zeitgeist verpflichtet, hat an einigen Charakteren gedreht. Jan Rekeszus als Randy Curtis ist nicht mehr Schauspieler, sondern ein gefeierter Influencer im Netz-Shirt mit Halskettchen. Gabriel Schneider als junger Grafikdesigner und Blattmacher Charley wird im hautengen femininen Glitzer-Outfit zum Femen-Aktivisten und zu Alice Schwarzers Enkel. Die Figur des Charley wird anders interpretiert und im Heute verankert. Bei diesem Typ geht es nicht mehr um die Liebesthematik, sondern um das Schönheitsideal einer jungen Selfie-Generation, die andere Körperbilder in Mode und Werbung hat als Liza, die Vertreterin der „Old School“.

Das Sinfonieorchester Basel erobert sich mit Drive den klassischen Broadway-Sound, und Thomas Wise am Pult trifft den spezifischen Tonfall, den die Musik des „amerikanischen Weill“ braucht: ein Show-Spektakel von Broadway-Format.  Termine: 11. November, 19.30 Uhr, 4. Dezember, 18.30 Uhr

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