Basel Suche nach dem Abenteuer Leben

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Dan Shambicco bei der Buchsignierung in der Buchhandlung Orell Füssli in Basel Foto: zVg/Marcel Zehnder

Interview: Der schweizerisch-israelische Autor Dan Shambicco motiviert zu Lebensfreude und Selbstliebe

Basel. Dan Shambicco zeigt neue Blickwinkel auf unsere Gedanken- und Gefühlswelt Als motivierender Begleiter möchte er auch in seinem neuen Buch „Vielleicht lieber heute“ den Leser mitnehmen auf der Suche nach sich selbst, nach der Liebe, einem Neubeginn und dem Abenteuer Leben. Wir unterhielten uns mit dem schweizerisch-israelischen Autor, der in Riehen lebt.

Neue Motivation finden

Frage: Sie waren mit 20 aufgrund einer Nervenerkrankung ans Bett gefesselt, litten unter Schmerzen. Was hat Ihnen da geholfen?

Klar macht man sich so seine Gedanken übers Leben. Aber natürlich habe ich mich durch diese Situation verstärkt damit auseinandergesetzt, wofür und wie sinnlos man so alles seine Zeit verschwendet und wie wertvoll ein einzelner Moment sein kann. Und dass man diesen nutzen muss. Dass man aus seinem Leben etwas macht.

Frage: Sie haben ein neues Buch geschrieben: „Vielleicht lieber heute“. Was ist die Quintessenz?

Ich möchte den Menschen damit genau diese Gedanken vermitteln und ihnen Mut zur Veränderung machen. Neue Impulse geben. Solche Bücher bewirken offenbar tatsächlich etwas. So hat mir zum Beispiel gerade eine 15-Jährige nach einer Lesung in Basel geschrieben, wie sehr sie das Buch berührt und inspiriert habe. Und das von einer 15-Jährigen! Das Spektrum der Leser ist aber insgesamt breit gefächert. Jeder kann darin besondere Berührungspunkte finden.

Frage: Was hat Ihnen damals eigentlich am meisten geholfen: die Liebe, der Glaube?

Schlimme Diagnose

Ja, ich glaube daran, dass Gott uns erschaffen hat, dass das Leben ein bewusst verliehenes Geschenk an uns ist, das wir voller Freude nutzen sollten. Natürlich habe ich den Ärzten viel zu verdanken. Aber ich habe doch erfahren, dass es noch etwas darüber hinaus gibt. Und ich habe erlebt, dass eine Diagnose nicht endgültig sein muss. Die Hoffnung hört nie auf, Wunder hören nie auf. Das hat mir Kraft gegeben

Frage: Wie war Ihre Diagnose?

Damals hat einer der besten Neurologen in Zürich gesagt: Du hast wie einen Virus im Körper, dagegen gibt es praktisch keine Medikamente. Wenn man dann wie ich erlebt, dass es doch weitergeht, dass es Heilung gibt, dann ist das schön und ermutigend.

Frage: Sie waren in dieser Situation 20 Jahre alt. Da reift man sehr, oder?

Ich habe mich halb tot und halb lebendig gefühlt. Wie in einer Blase blickte ich auf das Leben draußen, die Gesellschaft. Familie und Freunde haben mir sehr geholfen. Ich verstand zunehmend, auf was es im Leben wirklich ankommt: auf die Menschen um einen, die Liebe, die Gesundheit. Das habe ich mir auch nach der Krankheit bewahrt. Immer, wenn ich jemandem im Rollstuhl sehe, berührt mich das extrem. Und es appelliert an meine Dankbarkeit.

Frage: Man sagt: Krisen bergen eine Chance, können einen weiterbringen. Sehen Sie das auch so?

Das Leben ist stets wertvoll

Krankheit, körperliches und auch seelisches Leid, Beziehungen, Liebeskummer, was auch immer – ich empfinde mein Leben dennoch stets als wertvoll. Und ich denke, mit meiner Erkenntnis kann ich auch anderen Menschen weiterhelfen. Floskeln nach dem Motto: Es wird schon alles gut, helfen ja nicht weiter. Aber: Gefühle wachsen immer nach. Immer, wenn man denkt, das ist das Ende, dieses Juwel in meinem Leben ist für immer verloren – dann kommt doch etwas Neues. Außer natürlich bei ganz dramatischen Verlusten wie dem Tod.

Frage: Es gibt viele Lebensratgeber. Was unterscheidet Ihr Buch davon?

Ich sehe mich gar nicht als Lebensratgeber. Ich will den Leuten nicht sagen: „Wenn ihr das lest, werdet ihr ein besseres, erfüllteres Leben haben.“ Das Ziel des Buches ist, die Leser zu animieren, sich mit ihrem Dasein zu befassen, dass sie Lebensfreude vermittelt bekommen, neue Impulse. Dass jeder, der das Buch liest, es für sich selbst weiterschreibt.

Frage: Geben Sie ein paar Beispiele.

Leben, Liebe, Abenteuer

Ich habe die Themen in Hashtags eingeteilt unter den Kapiteln Leben, Liebe und Abenteuer: #Mutzurveränderung, #24Stundenregel oder #Findedichselbst. Es geht darin um viele Bereiche. Die Liebe ist ein wichtiger Aspekt, besonders die Selbstliebe. Aber es geht auch um Abenteuer, Tinder und andere Datingapps. Gerade Selbstliebe finde ich einen ganz wichtigen Aspekt. Früher war das für mich so ein abstrakter Begriff. Aber sich selbst zu finden, zu wissen, wer man ist, das ist essenziell.

Frage: Es ist Ihr fünftes Buch. Geben Sie uns einen Überblick über Ihr Werk.

Es hat mit Gedichten angefangen, die ich in ein kleines Notizbuch geschrieben habe. Meistens Naturlyrik, das war noch vor meiner Krankheit. Ich war viel unterwegs, im Schwarzwald, am Zeller Blauen mit dem Fahrrad. Dort habe ich meine ersten Gedichte geschrieben. Beim Waldemar Lutz Verlag in Lörrach ist so mein erster Band entstanden. Parallel gab es das Projekt mit Zeitzeugenbefragungen zum Zweiten Weltkrieg. Da hatten wir große Lesetouren, bis nach Berlin beim Holocaust-Mahnmal. Danach erst bin ich zum Genre Sachbuch gekommen mit „Draußen spielt ein Leben.“

Von alten Menschen viel gelernt

Frage: Warum der Themenwechsel?

Ich hatte mich so lange mit der jüdischen Vergangenheit befasst. Das ist mir als Israeli natürlich sehr wichtig. Es ist aber genauso wichtig, dass man diese Zone mal wieder verlässt, gerade als junger Mensch. Ich will mich nicht immer dem Thema Nazi-Zeit und Verfolgung beschäftigen, sondern auch in die Zukunft blicken.

Frage: Das gehört zusammen, oder?

Ja. Viele sind von meiner positiven Perspektive überrascht. Dennoch: Gerade von meinen Zeitzeugen-Interviews her kenne ich diesen erstaunlichen Optimismus und Lebenswillen, beispielsweise von Auschwitz-Überlebenden. Die wissen um die Essenz des Lebens, wissen, das Lebensfreude von ganz einfachen Dingen kommt: Frieden, ein sonniger Tag, mit Menschen zusammenzusein, die man liebt. Von diesen alten Menschen habe ich sehr viel gelernt, Dankbarkeit sowie Lebensfreude.

Frage: Der Holocaust gehört auch zu Ihrer Lebensgeschichte?

Ich bin kein direkt Betroffener. Aber mein Großvater war in der Schweiz an der Grenze als Soldat, meine Großmutter ist aus dem Irak. Mein Vater ist aus Tel Aviv. Das alles ist Teil unserer jüdischen Geschichte. Zu dieser gehörten aber auch die Lebensfreude, die Feste und der Humor, gerade auch in bedrohlichen Zeiten. Es ist schon sehr jüdisch, in allem das Gute zu sehen.

Frage: Sie engagieren sich weiter in der Riehener Gedenkstätte. Was ist Ihr Beruf neben dem Schreiben?

Ich bin zurzeit an einer Schule in Bettingen tätig. Das gefällt mir sehr, gibt mir genügend Freiheiten für meine Bücher. Und durch die Kinder lerne ich viel über die Leichtigkeit, im Moment zu leben.

Dating-Apps nur als Ergänzung

Frage: Dating-Apps werden bei Ihnen auch thematisiert. Was halten Sie davon?

Ich war sehr kritisch. Inzwischen sehe ich Dating-Apps als gute Ergänzung. Sie werden aber nie an den realen Wert einer persönlichen Begegnung herankommen, an die Anziehungskraft, den Zauber. Komplett ausschließen sollte man das nicht, aber sich klar machen, dass oft zu viele falsche Bilder im Kopf entstehen. Der Mensch sehnt sich nach unverfälschter Begegnung. Alles, was da helfen kann, darf auch gerne genutzt werden. Aber: Kein Smiley hat den Wert eines echtes Lachen unseres Gegenübers. Darum sehnen wir uns auch so sehr nach der unverfälschten Natur. Wir wollen das Wahre, das Echte.

Frage: Sie haben auch traurige Tage. Lesen Sie dann als Motivation Ihre eigenen Bücher?

Nein (lacht). Ich habe eigentlich keine depressiven Phasen. Mein Maß der Dankbarkeit hat sich so verändert, dass ich mich von Widrigkeiten nicht so schnell aus der Bahn werfen lassen.

Frage: Wie schafft man das?

Man kann es schaffen. Ein Beispiel: Viele spüren den Drang nach Veränderung. Oft macht man den Fehler, zu schnell alles verändern zu wollen. Man sollte sich seine Ziele aufschreiben, mit der kleinsten Veränderung beginnen und erst nach deren Erfolg weitermachen. Man darf sich nicht überfordern, sonst erwachsen Angst, Verlustgefühle, Frust, weil man die große Veränderung nicht schafft. Zudem sollte man Würze ins Leben bringen, sei es durch Kinobesuche, Sport oder Freunde, man sollte Highlights setzen, die Lebensfreude bringen.

Wie tut man sich selbst Gutes?

Frage: Geben Sie uns ein paar Tipps, wie man sich selbst etwas Gutes tun kann?

Wichtig für alle Singles: Zieht euch nicht zurück. Folgt den Impulsen, wegzugehen, schöne Dinge zu unternehmen, auch wenn es alleine ist, traut euch, jemanden anzusprechen. Sonst verpasst man so viel. Zweitens Selbstliebe: mehr Zeit für sich selber. Ich zum Beispiel mache mir immer wieder Notizen von schönen Momenten, Höhepunkten des Tages. Drittens: Ich gehe jeden Tag mit mir selbst Gassi. Auch wenn es nur eine Viertelstunde ist: Die Zeit zu finden, mit sich selbst allein zu sein, das ist die Grundvoraussetzung für ein ausgeglichenes Leben, für Gedanken, die einen weiterbringen. Immer bereit für die Abenteuer, die das Leben uns bereit hält.

  Das Gespräch führte Gabriele Hauger.

Infos zum Autor:

Dan Shambicco, 1991 in Basel geboren, lebt in Riehen und ist im Bildungs- und Erziehungswesen tätig sowie  aktives Leitungsmitglied der Gedenkstätte Riehen und Mitglied des Redaktionsrats des Magazins „go-take the lead“. Der schweizerisch-israelische Autor veröffentlicht  Gedichte und ratgebende Essays. Sein aktuelles  Buch „Vielleicht lieber heute“ stellt er  bei Lesungen in der Regio vor: 3.2., 20 Uhr, Unternehmen Basel Mitte; 12.2., 11 Uhr, Bar Drei König, Lörrach;  16.2., 20 Uhr, Klara, Basel

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