Basel Täter bald wieder auf freiem Fuß

(sda)
Der Vergewaltiger saß 18 Monate in Untersuchungshaft und soll nächste Woche das Gefängnis verlassen. Foto: Michael Werndorff

Vergewaltigung: Justiz nimmt Stellung zu umstrittenem Urteil. Opfer macht sich Sorgen.

Basel - Das oberste Basler Gericht hat mit einem Urteil zu einer Vergewaltigung hohe Wellen geworfen (wir berichteten). In der Öffentlichkeit wurde kritisiert, das Gericht habe dem Opfer eine Mitschuld an der Tat gegeben. Offenbar seien zahlreiche Missverständnisse entstanden, teilte das Appellationsgericht gestern mit.

So sei das Urteil von einem Dreiergericht und nicht von der vorsitzenden Appellationsgerichtspräsidentin allein gefällt worden. Auch habe das Gericht den Schuldspruch der Vorinstanz wegen Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung und sexueller Nötigung zum Nachteil des Opfers vergangenen Freitag bestätigt.

Die Strafe für den 33-jährigen Mann, der im Februar 2020 zusammen mit einem Jugendlichen eine Frau vor ihrer Wohnung im Basler Quartier St. Johann vergewaltigt hatte, ist vom Gericht hingegen reduziert worden. So wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten verurteilt, davon 18 Monate unbedingt. Der Täter wird daher kommende Woche aus dem Strafvollzug entlassen, da er sich bereits seit 18 Monaten in Untersuchungs- und Sicherheitshaft befindet. Zudem erhielt er nur noch einen Landesverweis von sechs Jahren – und das Gericht reduzierte die Entschädigung für das Opfer um 3000 Franken. Das Strafgericht hatte für den Täter eine unbedingte Freiheitsstrafe von 51 Monaten und einen Landesverweis von acht Jahren ausgesprochen.

Täter war nicht vorbestraft

Laut Gericht ist bei Freiheitsstrafen über 24 bis zu 36 Monaten „zwingend der teilbedingte Vollzug zu gewähren“. Dies, wenn der Täter noch nicht vorbestraft und eine schlechte Rückfallprognose vorhanden sei. Die vom Gericht ausgesprochene unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten entspreche somit dem gesetzlich möglichen Maximum, heißt es weiter in der Mitteilung.

Mündlich begründet hatte die Appellationsgerichtspräsidentin die Verringerung der Strafe laut Medienberichten mit dem Verhalten des Opfers während und nach der Tat. So habe die Tat nicht lange gedauert, und das Opfer sei nicht schwer verletzt worden.

Zur mündlichen Urteilsbegründung nimmt das Gericht in der Mitteilung keine Stellung. Allgemein meint das Gericht: „Wenn dabei geprüft wird, wie der Beschuldigte die Situation interpretiert hat, geht es lediglich darum, das Verschulden des Täters zu bemessen und nicht darum, das Opfer zu disqualifizieren.“

Dass die Gerichtspräsidentin das Opfer für die Tat mitverantwortlich gemacht haben soll, sorgt in den sozialen Medien für Kritik.

Zutiefst schockiert

Ihre Klientin sei zutiefst schockiert über die mündliche Begründung der Gerichtspräsidentin und könne es nicht fassen, sagte die Anwältin letzten Dienstag. „Es ist für meine Klientin völlig unverständlich, wie ein Gericht, eine Richterin, also sogar eine Frau, so etwas sagen kann.“ Ihre Klientin mache sich wegen dieser Begründung auch für die Zukunft große Sorgen, sagte die Anwältin. Nach Ansicht ihrer Klientin würden darum viele betroffene Frauen sich in Zukunft noch weniger trauen, Anzeige zu erstatten, weil sie dann immer damit rechnen müssten, ihnen würde eine Mitschuld angelastet.

Die Basler Staatsanwaltschaft und das Opfer wollen das schriftliche Urteil abwarten und dann entscheiden, ob sie den Fall vors Bundesgericht weiterziehen möchten.

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