Basel Vom Reiz der fremden Welt

Dominique Spirgi
 Foto: Julian Salinas

Kunstmuseum: Ausstellung „Rembrandts Orient“ /Museum bleibt geöffnet

Basel - Der Titel „Rembrandts Orient“ ist in mehrfacher Hinsicht Programm: Die Ausstellung im Kunstmuseum Basel zeigt, wie die niederländischen Altmeister des 17. Jahrhunderts sich vom Reiz dieser fremden Welt einnehmen und zu eigenen Bildinszenierungen verleiten ließen.

Im Brustbild eines Mannes in orientalischer Kleidung offenbart Rembrandt Harmensz van Rijn das, was ihn als Künstler so einzigartig macht: Unnachahmlich ist das dramatische Spiel von Licht und Schatten, und ungemein fein ziseliert ist die Stofflichkeit des abgebildeten Motivs, das die Realität zu übertreffen scheint. Jedes noch so feine Fältchen des wuchtigen Turbans ist so genau wiedergegeben, dass man das Ganze beim Betrachten zu spüren scheint.

Die Turbane der Reichen und Mächtigen im „Orient“ mögen ja prunkvoll gewesen sein – so wolkig wohl aber kaum, meinte Bodo Brinkmann, Altmeister-Kurator am Kunstmuseum am Medienrundgang. Rembrandt ging es nicht darum, die Welt der östlichen Handelspartner zu illustrieren, er gab sich vielmehr der Faszination für das Fremde hin. Das Bild zeigt denn auch keinen echten „Orientalen“, sondern ein niederländisches Modell im entsprechenden Outfit.

Hierbei war der große Meister, der sein Heimatland wohl nie verlassen hat, bei weitem nicht allein. Weitere Künstler, die in der Ausstellung vertreten sind, und auch das Großbürgertum, das im goldenen Zeitalter zu Reichtum gekommen war, erlagen der Faszination des Fremden. Kunstvolle Teppiche und Säbel schmückten ihre Häuser, sie ließen sich auch gerne mal im Seidenrock und Turban porträtieren.

Eurozentrische Sichtweise

Mehr noch: Ganze Familien standen Modell für Nachstellungen von alttestamentarischen Szenen. Das Fremde wurde zwar geschätzt und im Sinne von Statussymbolen integriert, an den anderen Kulturen war man aus der eurozentrischen Sichtweise heraus aber nicht wirklich interessiert. Geschweige denn an den negativen Begleiterscheinungen der westöstlichen Handelsbeziehungen wie Sklaverei, Unterdrückung oder kriegerischer Gewalt.

Natürlich übten gewaltvolle Szenerien auf die Künstler eine Faszination aus. Diese entnahmen sie aber nicht aus zeitgenössischen Ereignissen, sondern aus Geschichten aus dem Alten Testament, die sich gut mit orientalischen Versatzstücken ausschmücken ließen. Etwa bei Rembrandts Darstellung der Steinigung des heiligen Stephanus – das erste bekannte Gemälde des Künstlers, das noch von der Freude an Action-Szenerien geprägt war.

Die von Gastkurator Gary Schwartz initiierte Ausstellung „Rembrandts Orient. Westöstliche Begegnungen in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts“ möchte aufgrund der rund 120 gezeigten prachtvollen Werke aber auch zum Nachdenken über den noch immer sehr präsenten Eurozentrismus anregen. Und dieses überlassen sie nicht nur der Interpretationsfähigkeit des Publikums und den diesbezüglichen Texten im Katalog.

Im November soll ein Podcast mit dem Titel „Rembrandt, habibi“ die Ausstellung aus einer explizit postkolonialistischen Perspektive begleiten. Verantwortlich für diesen Podcast, bei dem verschiedene Akteure der aktiven und wissenschaftlichen Kunstszene zu Wort kommen, ist Amina Aziz, eine Spezialistin, Autorin und Moderatorin zu den Themenschwerpunkten Klassismus, Post-Kolonialismus, Feminismus, Rassismus, Antisemitismus, Inklusion und Popkultur.  „Rembrandts Orient. Westöstliche Begegnungen in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts“: bis 14. Februar 2021

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading