Basel Vorurteile abbauen

Adrian Steineck
 Foto: zVg/Ruben Hollinger

Obdachlosigkeit: Lilian Senn ist eine von fünf Betroffenen, die in Basel soziale Stadttouren anbieten.

Basel - Den Blick auf Menschen am Rande der Gesellschaft richten will der Verein „Surprise“, der in Basel fünf Stadttouren der besonderen Art anbietet. Anstelle von Marktplatz, Münster & Co. geht es bei diesen Sozialen Stadtrundgängen um die Brüche in einer Biografie, die zu Armut und Obdachlosigkeit führen können.

Über die Hintergründe und Umstände, die in die Armut führen können, hat Adrian Steineck mit Sybille Roter, Initiatorin der Sozialen Stadtrundgänge und stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins „Surprise“, gesprochen.

Frau Roter, eine Stadtführung auf den Spuren der Armut – wie muss man sich das genau vorstellen?

Unsere fünf Stadtführer – in Basel sind es drei Männer und zwei Frauen – nutzen ihre Biografie als Ausgangspunkt. Die zweistündigen Touren spielen sich größtenteils im Freien ab, etwa in Parks mit Schlafplätzen, wobei zum Abschluss Einrichtungen wie die Schuldnerberatungsstelle oder der Caritas-Markt besucht werden. Seit kurzem bieten wir Führungen zur Frauenarmut an.

Wie unterscheidet sich diese von männlicher Armut?

Frauen tragen in der reichen Schweiz ein deutlich höheres Armutsrisiko als Männer. Unsere beiden Stadtführerinnen haben selbst Erfahrungen mit Armut, Missbrauch, Gewalt und Schicksalsschlägen gemacht.

Fällt es den Stadtführerinnen und Stadtführerin nicht schwer, darüber vor fremden Menschen zu berichten?

Doch, zunächst schon. Aber durch intensive Biografiearbeit und die Vorbereitung auf ihre neue Rolle können unsere Stadtführerinnen Danica Graf und Lilian Senn heute kompetent über ihre Schicksale berichten.

Gibt es so etwas wie ein typisches Obdachlosenschicksal? Anders gefragt: In welchen Punkten ähneln sich die Lebenswege von Menschen, die in Armut und Obdachlosigkeit landen?

Ähnlich wie in Deutschland und anderen Ländern hat die Lebenssituation in der Schweiz viel mit der Herkunftsfamilie zu tun. Reichtum wird vererbt, aber Armut ebenso. Wenn jemand aus einer eher armen Familie stammt, besteht zu einem hohen Prozentsatz die Wahrscheinlichkeit, dass er später selbst arm wird. Kommen dann noch Schicksalsschläge wie Arbeitsunfälle oder psychische Erkrankungen wie Burn-out dazu, nimmt diese Wahrscheinlichkeit weiter zu. Viele Wohnungslose sind auch in Heimen aufgewachsen. Wir wollen mit unseren Führungen auch Vorurteile abbauen, denn oft gibt es noch immer die Vorstellung, dass Obdachlose einfach nicht arbeiten wollen.

Wie ist die Resonanz auf die Führungen?

Wir bieten die Führungen seit dem Jahr 2013 in Basel an, seit 2014 in Zürich und in Bern seit dem vergangenen Jahr. In dieser Zeit haben wir etwa 50 000 Menschen erreicht und erhalten durchweg positive Rückmeldungen. Wir freuen uns auch darüber, dass Studien der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) belegen, dass wir tatsächlich ein Umdenken bei den Menschen bewirken können. An der FHNW ist es für Studenten mittlerweile auch verpflichtend, dass sie an einer Sozialen Stadtführung teilnehmen.

  • Weitere Informationen: Die nächsten Sozialen Stadttouren in Basel finden am 11. und 12. Januar jeweils ab 9 Uhr statt. Treffpunkt ist am 11. Januar beim Kiosk an der Tramhaltestelle Wettsteinplatz und am 12. Januar am Portal der Theodorskirche. Näheres zu den Touren unter www.surprise.ngo/angebote/stadtrundgang.

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