Basel Was übrig bleibt, ist die Erinnerung

Die Oberbadische

Auf dem Riehener Hörnli, dem größten Schweizer Friedhof, widmet sich ein Museum der Bestattungskultur

Von Michael Werndorff

Basel. Ein Grab darf laut Friedhofsordnung 20 Jahre bestehen, dann muss es aus Platzgründen geräumt werden. Dass dabei mitunter Grabdenkmäler und beeindruckendes Kunsthandwerk entsorgt werden, ließ dem pensionierten Grabmachermeister Peter Galler keine Ruhe.

Vor rund 50 Jahren begann er, auf dem Riehener Hörnli-Friedhof besondere Stücke in einem Holzschuppen der Friedhofsgärtnerei aufzubewahren. Daraus hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine imposante Ausstellung entwickelt, welche die heimische Trauer- und Begräbniskultur in all ihren Facetten zeigt.

Rund 40 000 Menschen hat er während seines Berufslebens auf dem Hörnli bestattet. „Kennen Sie das Joggeli Stadion?“, fragt er. „Dort passen genauso viele Menschen rein, und wo sind die alle geblieben?“ Die Antwort bleibt er nicht schuldig: „In der Erinnerung!“, weiß Galler, der die Geschichte seines Museums Revue passieren lässt: „Es war 1962 an einem kalten Wintertag, als mein Chef mir sagte, ich solle den Hammer nehmen und die tönernen Urnen zerschlagen.“ Er gehorchte widerwillig, aber besonders schöne Stücke sparte der gelernte Gärtner aus und verstaute sie heimlich im Schuppen. Für ihn sei das Kulturgut, welches es zu bewahren gilt, rechtfertigte er seine Sammelwut. Als er dann noch begann, künstliche Hüftgelenke, Gelenkpfannen, Knochenplatten und –schrauben aufzubewahren, die nach Ablauf der Ruhefrist und bei Einäscherungen anfielen, erhielt er den Spitznamen „Alteisensammler“. Spott und Hohn erntete Galler von seinen Kollegen, die seine Motivation nicht nachvollziehen konnten. „Meine Frau unterstützte mich aber und hat mir immer den Rücken gestärkt.“

Unterstützung von offizieller Seite für sein späteres Museum erfuhr er indes nicht, kritisiert er die großzügige Kulturförderung des Kantons, welche die Sammlung Hörnli immer aussparte. Spenden und Mitgliederbeitrage der als Verein geführten Sammlung müssen Staatsbeiträge ersetzen. „Den Humor habe ich mir aber nie nehmen lassen“, betont er, während zwei junge Frauen das ehemalige Krematorium betreten, wo unter anderem Exponate aus der Biedermeier Zeit neben modernen Urnen stehen, einfache Holzsärge – Standardmodell Hörnli – neben metallenen aus denn USA und aufwendiger Schmuck aus den Haaren der Verstorbenen die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zieht.

„Meine Führungen sollen lebendig und lustig sein, so kommen sie alle wieder“, betont Galler, der die Berlinerin Virginia Schwabe und Chantal Kull aus Basel in Empfang nimmt. „Wenn Sie genug Kaffee trinken, schenkt Ihnen Herr Eduscho eine Urne“, deutet er schmunzelnd auf ein Behältnis aus Blech, das einer Kaffeebüchse sehr ähnelt. Die erste Pointe sitzt, und auf dem anfangs ernsten Gesicht der Besucherinnen macht sich ein Grinsen breit. Viele historische und wertvolle Aschebehältnisse aus aller Welt hat der Museumsgründer gesammelt, darunter auch solche in Form einer Trommel. „Für echte Basler Fasnächtler“, so Galler, der die Geschichte jedes ausgestellten Gegenstands kennt.

Aufwendig hergestellte Haarbilder, Ringe sowie Uhren- und Halsketten aus geflochtenem Haar beeindrucken die Besucherinnen: „Den Toten – vor allem Frauen – wurde ein Teil der Kopfhaare abgeschnitten, um daraus Bilder zu fertigen und Zöpfchen zu flechten.“ Hergestellt wurde die Haarkunst meist in Klöstern, und mit deren Auflösung verschwand dieser Brauch, beklagt Galler. „Für mich ist das Kultur.“

Wortgewandt führt der Sammler durch sein Reich, wirklich kurios wird es aber in der medizinischen Sammlung. Klobige Herzschrittmacher, so groß wie eine Zigarettenschachtel, künstliche Hüftgelenke und lange Knochenschrauben müssen laut Galler bei den Operierten für chronische Schmerzen gesorgt haben. Dass sein Museum auch in Bestatterkreisen Ansehen genießt, zeigen die vielen Einträge in den Gästebüchern. „Da gab`s mal eine Gruppe amerikanischer Bestatter, die eigens ein Flugzeug charterten, um meine Ausstellung zu besuchen.“ Die Menschen kämen aus der ganzen Welt, freut sich Galler.

Die Ausstellung wollte sie sich schon seit geraumer Zeit anschauen, sagt Kull, die ein entspanntes Verhältnis zur Vergänglichkeit hat. „Meine Bestattung soll fröhlich sein, genauso wie die Führung von Peter Galler. Seine Begeisterung ist ansteckend, und man kommt gar nicht umhin, sich davon anstecken zu lassen.“

u Geöffnet ist das Museum jeden 1. und 3. Sonntag im Monat von 10 bis 16 Uhr. Weitere Infos unter www.sammlunghoernli.ch, oder Tel. +41 (0) 61 601 50 68 / 076 397 02 89.

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