Basel Wie Kunstobjekte zurückkehren

Valentin Radonici
Die Kunstaktivistin Glicéria Tupinambá besuchte das Museum der Kulturen Basel und das Federcape. Foto: Museum der Kulturen

Die Rückführung von Kunstobjekten ist ein langer Prozess.

Der Umgang mit kolonialen Altlasten ist ein gewichtiges Thema für Museen. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen Basel, wie bei der Provenienzforschung, also der Forschung nach der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern, vorgegangen wird: „Im Zentrum stehen die Fragen: Um welches Objekt handelt es sich? Aus welcher Region stammt das Objekt? Und: Gibt es eine Ortsangabe?“ Wichtig ist auch der heutige Rang des Kunstwerks. Zudem muss stets die Frage geklärt werden, welcher Bevölkerungsgruppe das Kunstobjekt zugeordnet werden kann. Die Klärung dieses Fragenkatalogs kann viel Zeit in Anspruch nehmen.

Rückgabe des „Thulu“

Ein Beispiel, wie die Rückführung eines Kunstobjekts funktioniert, ist der beschnitzte Baumstamm „Thulu“, der an die Aborigines-Ethnie der Kamilaroi nach Südost-Australien an einen Zeremonialplatz zurückkehren wird. In der Ausstellung „Alles lebt – mehr als menschliche Welten,“ kann der Baumstamm derzeit gesehen werden. Bei der Rückgabe des Kunstobjekts ist es möglich, dass das Museum auf die entsprechende Bevölkerungsgruppe proaktiv zukommt. In anderen Fällen wird die Gruppe selbst aktiv.

Im Falle des „Thulu“ kam der Anstoß zur Rückführung vom australischen Künstler Brian Martin. Nach seinem ersten Besuch in Basel kehrte er mit einer Delegation der Kamilaroi zurück ins Museum der Kulturen. Dort nahm diese spirituellen Kontakt mit dem „Thulu“ auf. Die Zeremonie wurde gefilmt wurde und ist nun Teil der Ausstellung. Jener Moment, wenn Angehörige einer Gruppe die Verbindung zu einem Kunstobjekt aufbauen sei, so Schmid, etwas Besonderes. Aus diesem spirituellen Akt entwickelte sich schließlich der konkrete Gedanke, den Baumstamm zurückzuführen.

Hilfreich bei diesem Prozess sei fraglos die persönliche Beziehung der Kamilaroi zu den Mitarbeitern des Museums gewesen, erklärt Schmid. Es gebe auch Fälle, bei denen ausschließlich über Mail oder Fax kommuniziert wird.

Das Museum der Kulturen stellte an den Basler-Regierungsrat am 30. August des vergangenen Jahres einen Antrag auf Rückführung des „Thulu“ nach Australien. Der Rat stimmte dem Antrag am Donnerstag, 18. Januar, zu.

Keine Zeitschindung

Die Museumsdirektorin betont: „Die Rückgabe des Thulu ist für beide Seiten ein Gewinn. So kann eine neue Geschichte entstehen.“ Ihr sei es wichtig, deutlich zu machen, dass eine lange Zeitspanne vom ersten Kontakt bis zur Rückgabe eines Objekts nicht etwa bedeuten müsse, dass Museen mauern. Der Prozess sei mehr als ein reiner bürokratischer Akt.

Offenheit, Transparenz und Dialogbereitschaft seien Kernpunkte des gesamten Ablaufs. Im Falle des „Thulu“ würden die Kamilaroi über das Verfahren der Rückführung entscheiden. Dazu gehöre auch, wer den Baumstamm im Flugzeug begleite und wer bei der Zeremonie in Australien vor Ort sei.

Provenienzforschung muss aber nicht immer zwangsläufig zur Rückführung eines Kunstobjekts führen. Es können daraus auch gemeinsame Ausstellungen und Projekte entstehen.

Ein Beispiel dafür ist ein Federcape, von denen es elf im Bundesstaat Bahia im Nordosten Brasiliens gibt. In diesem Fall war es der Wunsch der Gruppe der Tupinambá, dass die Kunstaktivistin Glicéria Tupinambá dem Museum im Rahmen eines Projekts einen Besuch abstattet.

Gemeinsames Projekt

Tupinambá fiel auf, dass das Cape an Vorder- und Rückseite unterschiedlich aussah: eine neue Erkenntnis. Indes bleibt das Cape in Basel – mit dem Einverständnis der Tupinambá. Schmid: „Es kommt immer auch auf den Willen der Gruppe an.“

Unterschiede der Historie

Bei der Rückführung von Kunstobjekten ist auch die Historie des Landes, in dem das Museum steht, ein wichtiger Aspekt. Hier gibt es Unterschiede zwischen Basel oder Städten wie Paris, Berlin oder London, betont Schmid. Sie glaubt, dass die schweizerischen Voraussetzungen den Prozess vereinfache: „Die Schweiz war nie Kolonialmacht. Entsprechend ist die Herangehensweise auch anders als in Frankreich, Deutschland oder Großbritannien.“ Ein Unterschied sei auch, dass eine höhere Zahl von Kunstobjekten durch die Kolonialgeschichte zurückgeführt werden müssten.

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