Basel „Wir machen es mit viel Herzblut“

Die Oberbadische

Interview: Festivalchefin Nadja Hauser über die zehnte Ausgabe von Young Stage

Das Internationale Circusfestival Young Stage in Basel ist eine Erfolgsgeschichte: Innerhalb von wenigen Jahren hat es sich zum größten Circusfestival der Schweiz gemausert und ist weltweit eine der wichtigsten Veranstaltungen für Nachwuchsartisten.

Basel. Im Vorfeld der zehnten Ausgabe, die von 11. bis 15. Mai stattfindet, unterhielt sich unser Redakteur Michael Werndorff mit Festivalleiterin und Produzentin Nadja Hauser.

Frage: Nächsten Freitag heißt es wieder Young Stage in Basel. Steigt die Vorfreude?

Die Vorfreude ist riesig, dazu mischen sich Anspannung und Nervosität – es kommen so kurz vor dem Event viele Gefühle zusammen.

Frage: Mittlerweile findet die Veranstaltung zum zehnten Mal statt. Haben Sie in der Anfangszeit damit gerechnet, dass sich Young Stage zu einem derart hochkarätigen und international anerkannten Festival für Nachwuchsartisten mausern wird?

Das ist schwierig zu sagen. Zu Beginn wussten wir nicht genau, worauf wir uns einlassen, und wir haben auch immer von Jahr zu Jahr geplant, aber mit dem Ziel, es zu etablieren. Es sollte auf jeden Fall ein wichtiges Ereignis im internationalen Circuskalender werden. Dass es in so kurzer Zeit zu einem der weltweit wichtigsten Circusfestivals geworden ist, darüber staune ich jeden Tag. Es ist immer wieder schön zu hören, wie wichtig wir geworden sind.

Frage: Wie wichtig ist das Festival für Basel einerseits und für die Nachwuchsartisten andererseits?

Für die Artisten spielt es eine sehr große Rolle, eine derartige Plattform nach ihrer Ausbildung zu haben, wo sie sich präsentieren und Kontakte knüpfen können. Und auch um konstruktives Feedback zu bekommen, schließlich wollen sich die jungen Artisten weiterentwickeln und immer besser werden. Für Basel als Kulturstadt ist es nicht minder wichtig, weil es während Young Stage das Zentrum der internationalen Circuswelt ist.

Frage: Sie stellen das Festival mit viel Herzblut auf die Beine. Wie schaffen Sie es, Jahr für Jahr aufs Neue die nötige Kreativität an den Tag zu legen?

Das frage ich mich bisweilen auch (lacht). Man stellt eine Show zusammen, hat mit Künstlern zu tun, schreibt Drehbücher und Moderationen, aber die eigentliche Arbeit hat wenig mit Kreativität zu tun. Hier geht es um Fundraising, Kooperationen, Medienpartnerschaften und den Ticketverkauf. Und je größer die Veranstaltung wird, desto mehr nimmt der Arbeitsaufwand zu. Das ist Knochenarbeit.

Frage: Aber wie motivieren Sie sich?

Je näher die Veranstaltung rückt, desto kreativer werde ich. Ich versetze mich in den Showablauf und motiviere mich durch die Leidenschaft der Artisten, die ihr Ziel verfolgen, und zwar nach dem Motto: „Koste es, was es wolle.“ Dass ich diese jungen, leidenschaftlichen Künstler unterstützen kann, motiviert mich sehr, ebenso die Dankbarkeit, die von den jungen Artisten zurückkommt.

Frage: Apropos Leidenschaft: Wie sind Sie eigentlich zur Artistik gekommen?

Ich habe selbst viel Akrobatik und Luftakrobatik im Jugendcircus gemacht, später auch Regie geführt, und so ist meine Liebe zum Circus entstanden. Einmal infiziert, kommt man davon nicht mehr los.

Frage: In ihrer Jury ist auch der Castingchef des kanadischen Cirque du Soleil vertreten. Hatten Sie in der Anfangszeit von Young Stage derartige Vorbilder, oder wollten Sie sich bewusst abgrenzen?

Beides! Ich hatte im ersten Jahr den Kontakt zu anderen Festivals und Artisten gesucht und mich erkundigt, worauf sie achten würden. Allerdings hatten wir schon von Beginn an ein eigenes Konzept. Ich wusste genau, was ich wollte.

Frage: Ein Blick zurück: Gab es in der Vergangenheit Momente, bei denen die Fortführung des Festivals auf der Kippe stand?

Ja, das gab und gibt es immer wieder. Jeder kennt diese Momente, diese Frage: „Warum mache ist das eigentlich?“ Ein Event auf die Beine zu stellen, ist nämlich nicht immer ein Spaziergang, insbesondere, wenn es um die Finanzierung geht. Die ist und bleibt die größte Herausforderung. Die Veranstaltung wird größer, dementsprechend wächst auch das Budget, und hierbei sind wir sehr dankbar für die Unterstützung unserer vielen Partner.

Frage: Das Festival ist ein wichtiges Datum im internationalen Circuskalender. Sehen Sie dennoch Handlungsbedarf, Änderungen am Konzept vorzunehmen?

Das inhaltliche Konzept, also unsere Mission, die weltbesten jungen Profiartisten zu unterstützen, ihnen diese Plattform zu geben und das Netzwerk zu ermöglichen, wird sich nie ändern. Das ist unser Erfolgsrezept. Mit dem jetzt neu präsentierten Open-Air-Programm im Rahmen von Young Stage starten wir einen Test und schauen, ob diese Programmerweiterung eine Zukunft hat. Da gibt es verschiede Modelle, über die wir nachdenken.

Frage: Bleibt Young Stage in Basel?

Das werde ich immer wieder gefragt. Das Festival hat in Basel seine Premiere gefeiert, und wir werden sicherlich auch nicht weggehen, außer wir werden dazu gezwungen. Zürich kommt für uns jedenfalls nicht in Frage.

Frage: Das Festival spielt bei Nachwuchsartisten eine große Rolle, dementsprechend groß ist die Anzahl an Bewerbungen. Wie schwer ist es, eine Auswahl zu treffen, und welche Kriterien sind Ihnen wichtig?

Es haben sich insgesamt 623 Artisten aus 51 Nationen beworben. Die erste Herausforderung ist, sich im Team alle Videos der Bewerber anzuschauen und eine Vorauswahl zu treffen. Dann treffen wir uns und schauen uns gemeinsam die letzten 100 Videos an. Weil wir ganz klare Kriterien haben, ist es nicht schwer, eine Auswahl zu treffen. So muss das artistische Niveau auf einem Top-Level sein, dann kommen unter anderem Innovation sowie Kreativität zum Tragen und wie der Artist mit dem Publikum spielt oder wie verschiedene Disziplinen miteinander verbunden werden. Für Young Stage muss man mehr können, als lediglich mit Bällen zu jonglieren. Artisten müssen mit ihrer Darbietung poetische Geschichten erzählen können.

Frage: Das Publikum ist bisweilen verwöhnt. Können die Nachwuchsartisten immer noch für Begeisterung sorgen?

Ja, ich habe schon so viel gesehen und denke oft, dass ich nicht mehr überrascht werden kann. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die jungen Menschen sind sehr kreativ und werden so breit geschult, neben Artistik auch in Tanz, Theater oder Musik, dass neue Ideen immer wieder für große Begeisterung sorgen.

Frage: Und wie fällt die Resonanz seitens der Artisten aus?

Das ist das Allerschönste an Young Stage. Wir bekommen von den Künstlern immer sehr, sehr gutes Feedback. Die spüren, dass das gesamte Team, das seit vielen Jahren unverändert ist, alles mit Herzblut macht. Die Künstler haben eigene Physiotherapeuten, sie können Netzwerke aufbauen oder an Workshops teilnehmen. Sie spüren, dass wir ernst meinen, was wir jetzt seit zehn Jahren machen.

Frage: Sie erhalten positive Resonanz, gleichzeitig steigt aber auch der Druck, den Erfolg vom Vorjahr zu übertrumpfen.

Das stimmt, diesen Druck spüre ich sehr stark, ich empfinde ihn aber auch positiv, weil ich unter Druck sehr gut und kreativ arbeiten kann. Man kann sich nie ausruhen und muss dranbleiben. Ob die Show immer noch besser wird, hängt auch von jedem Einzelnen ab, das ist sehr subjektiv. Solange wir das Niveau so halten können, haben wir gewonnen.

Frage: Was wünschen Sie sich für die zehnte Ausgabe?

Ich wünsche mir, dass Basel ein richtiges Artistikfeuerwerk erlebt, zum einen im Zelt, dann aber auch am Rhein mit der Hochseilperformance und auf dem Messeplatz. Ich hoffe, dass die Zuschauer eintauchen können in diese zeitgenössische und wunderbare Circuswelt.

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