Es ist diese Detailtreue, die die bestmögliche Sicherheit während der gesamten Einschlusszeit des Atommülls gewähren soll. In mehreren hundert Meter Tiefe, geschützt vor Erosion oder Gletschern der nächsten Eiszeit.
Schlamm schluckt Teilchen
Die wichtigste Sicherheitsbarriere ist die dunkelgraue, tonhaltige Gesteinsschicht: Der Opalinuston. Der versteinerte feine Tonschlamm, einst abgelagert am Meeresboden, ist enorm wasserdicht, schluckt strahlende Teilchen quasi, sodass sie nicht entweichen können, und schließt zudem Risse innerhalb von Wochen von selbst. „Selbstheilungskräfte“, nennt der Geologe Braun die Eigenschaft und deutet auf einen Opalinuston-Bohrkern aus Stadel-2, einem Bohrungsstandort von Nördlich Lägern. Eingeschlossen im Kern ist ein Ammonit – ein Leioceras opalinum, der dem Gestein seinen Namen gab.
Korallenriff in der Schweiz
Doch die Nagra interessiert sich nicht nur für den Opalinuston, sondern auch für die darunter- und die darüber liegenden Gesteine.
Diese sogenannten „Rahmengesteine“ sind nicht ganz so undurchlässig wie der Opalinuston, weil der Tongehalt niedriger ist. Aber Untersuchungen zeigen, dass Wasser äußerst langsam durch diese Mergel-, Kalk- und Sandstein-Schichten fließt.
Auf ein besonderes Beispiel eines solchen Rahmengesteins läßt sich im Bohrkernlager ein Blick erhaschen: Ein zusammengebrochenes Korallenriff. Das versteinerte Riff ist etwa 180 Millionen Jahre alt und erstreckte sich über bis zu fünf Quadratkilometer in der heutigen Nordwestschweiz.
Entscheidung im Herbst
Voraussichtlich Mitte März wird sich ein Bohrer zum letzten Mal im Dienste der Endlagersuche in den Boden fressen. Im Herbst dann wird die Nagra darlegen, auf welchen Standort ihre Wahl gefallen ist.
Ob es bereits einen Favoriten gebe? „Jeder hat einen Favoriten, der Geophysiker, die Strukturgeologin, der Lithostratigraphie-Experte“, sagt Braun. Alle Gebiete verfügen über eine etwa 110 Meter mächtige Opalinuston-Schicht, die allerdings nicht überall gleich tief liegt. Auch die Gesteinsschichten ober- und unterhalb des Opalinustons unterscheiden sich. Nun gehe es darum, die verschiedenen Aspekte zusammenzubringen und einen Konsens zwischen den Fachleuten zu finden, um den besten Standort auszuwählen.
Alle Gebiete geeignet
Er betont aber auch: „Alle drei Gebiete sind hervorragend.“ Die gesetzlich geforderten Werte für die Strahlenbelastung an der Oberfläche eines Endlagers betrage 0,1 Millisievert pro Jahr. Beim Opalinuston rechne man mit 0,0001 Millisievert, was einem tausendmal geringeren Wert entspreche.
Die Bohrkerne sollen auch nach der endgültigen Entscheidung im Herbst nicht entsorgt werden, sondern vorerst im Kernlager der Nagra in Mellingen und im Kernlager des Bundes archiviert werden. Denn der Schatz sei zu wertvoll, um ihn wie den Atommüll endzulagern, sowohl für weitere Forschung als auch für die Ausbildung von Studentinnen und Studenten.