Baustelle in Enkenstein „Situation im Dorf eskaliert“

Anja Bertsch
Durchfahrt verboten: Eine Baustelle spaltet Enkenstein. Foto: Bertsch

„Schikane“, „Irrsinn“, „Willkür“: Erneut machen Enkensteiner ihrem Ärger über die Baustelle mitten im Dorf Luft. Der Bürgermeister erklärt das Ganze nun zur Chefsache – und verteidigt die Ortsvorsteherin.

Zur Erinnerung: Seit September sind auf der zentralen Kreuzung in Enkenstein Bauarbeiten in Sachen Hochwasserschutz im Gange; ein Teil des Dorfes ist dadurch monatelang buchstäblich vom Rest abgehängt. Die Stadt verweist darauf, dass die Vollsperrung des Baustellenbereichs aus Sicherheitsgründen nötig sei. Diese hat zur Folge, dass die Einwohner teils immense Umwege auf sich nehmen müssen – dann zumindest, wenn sie die offizielle Umleitung nehmen, die über den Maiberg und Hausen führt.

Bürger machen Ärger Luft

Das freilich tun viele Betroffene eben nicht, wie in der Sitzung Montag erneut freimütig eingeräumt wurde. Sobald auf der Baustelle Feierabend ist, werden die Absperrungen beiseite gerückt, um die Durchfahrt zu öffnen, wurde deutlich.

Die Betreffenden sehen sich mit diesem Vorgehen völlig im Recht – oder zumindest im Einklang mit dem gesunden Menschenverstand: Der Weg an der Baugrube vorbei sei breit genug, und die Gefahr, dass die Grube einstürze könne nicht wahnsinnig groß sein, wenn doch tonnenschweres Baufahrzeug direkt an der Kante parken, merkte ein Dorfbewohner in der jüngsten Gemeinderatssitzung an.

Enkensteiner Bürger hatten in einem Brandbrief, im Gemeinde- und im Ortschaftsrat schon mehrfach scharf auf die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zu- bzw. Umstände hingewiesen und brachten die Probleme im Gemeinderat nochmals zur Sprache: Für den Otto-Normal-Bürger, der einen immensen Umweg nehmen muss, um aus dem Dorf herauszukommen, für den Landwirt, der seine Tiere jenseits der Baustelle versorgen muss oder für den Besitzer der Weihnachtsbaumplantage, dessen Kunden den Weg nicht finden.

Harscher vor Ort

Bürgermeister Harscher zeigte sich alarmiert angesichts der zunehmenden Spaltung, die zwischenzeitlich auch die Dorfgemeinschaft durchzieht; er kündigte an, die Angelegenheit zur Chefsache zu machen. Zum nächsten Jour fixe auf der Baustelle am kommenden Montag werde er vor Ort sein „Ich will schauen, dass wir irgendeine Lösung im Sinne aller finden. Wie die aussieht, kann ich nicht sagen,“ so Harscher.

Keinerlei Verständnis indes verdiene die Art und Weise, wie Ortsvorsteherin Eva Brutschin zur Zielscheibe aller Wut gemacht werde. „Da eskaliert im Moment was. So geht man nicht miteinander um, erst recht nicht in einem Dorf und erst recht nicht mit einem Menschen, der so viel für das Dorf getan hat.“ Auch der technische Beigeordnete Thomas Schmitz stellte sich in engagierten Worten vor die Ortsvorsteherin. „Es gibt eine verkehrsrechlichte Anordnung: Das wird nicht gefahren. Ende der Durchsage.“ Dass dafür nun eine so engagierte Frau wie die Ortsvorsteherin ins Kreuzfeuer der Kritik gerate – „das kann einfach nicht wahr sein, da fehlen mir die Worte“.

Volle Rückendeckung gab es auch von anderen wie SPD-Gemeinderätin Martina Hinrichs: „Wir sollten alle dafür sorgen, dass engagierte Menschen nicht frustriert ihren Stift hinlegen.“ Thomas Gsell (SPD) fand es eine „gefährliche Entwicklung, wenn Leute das Recht in die eigene Hand nehmen“.

Auch Eva Brutschin selbst meldete sich, hörbar angefasst, zu Wort: „Wir haben im Dorf viel gemeinsam gemacht. Nun ist ein Punkt, an dem wir uns mal nicht einig sind – und ich bin der Sündenbock. Da muss ich durch – aber schön ist es nicht.“

Kritik auch an Behörden

Während der Umgang mit Brutschin einhellig kritisiert wurde, gab es für die eigentlichen Klagen der Bürger durchaus Verständnis im Ratsrund: Andreas Kiefer (Unabhängige) etwa fand es „schlicht eine Sauerei, wie hier mit Bürgern umgegangen wird“. Offenkundig gebe es „überhaupt keinen Willen, irgendwas zu ändern“, die Bürger würden „dargestellt wie Kriminelle“. Jeannot Weißenberger (CDU) anerkannte, dass es eine entsprechende Anordnung gebe – „ob die Maßnahme aber sinnvoll ist, steht auf einen anderen Blatt“. Ähnlich äußerte sich auch Ernes Barnet (Grüne), der bekannte: „Auch mein eigenes Vertrauen in Behörden ist ganz schön gesunken.“

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