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Binzen Ausnahmetalent glänzt am Klavier

Jürgen Scharf
Exzellente Tastenspielereien führte der südkoreanische Jungstar Julian (Joo-Young) Kim im Rathaussaal Binzen vor. Foto: Jürgen Scharf

Julian (Joo-Young) Kim bei „Weltklassik am Klavier“

Die Zugaben waren eine kleine Sensation: Da meint man beim Klavierrecital in der „Weltklassik“-Reihe, man säße nicht im Rathaussaal in Binzen, sondern in der New Yorker Carnegie Hall. Und gerade in dem Moment betritt Vladimir Horowitz die Bühne und spielt seine eigene „Carmen-Fantasie“.

So kann es gehen bei einem Konzert, wenn man die Augen schließt und sich in die Musik hineinträumt. Und so ging es wohl dem einen oder anderen beim Klavierabend von Julian (Joo-Young) Kim, einem hochtalentierten asiatischen Nachwuchspianisten, der in Mannheim studiert.

Für einen 26-Jährigen verfügt Kim über eine stupende Technik.

Stupende Technik

Wie er diese Horowitz-Fantasie nach Bizets „Carmen“ auf die Tasten legt, war enorm. Kim beherrscht diesen pianistischen Knüller motorisch ebenso wie der große Horowitz.

Der junge Klavierstar wurde nicht ohne eine weitere spektakuläre Zugabe gehen gelassen. Die sechste Etüde von Nikolai Kapustin, ein Stück, das zwischen Klassik und Jazz changiert und wie alle Etüden von Kapustin beliebt ist bei den heutigen Supervirtuosen, hat er, wie alles an dem Abend, locker aus dem Handgelenk geschüttelt.

Alle Plätze besetzt

Da verabschiedete sich nach einem fulminanten Konzert ein blendender Virtuose vom zahlreichen Publikum, das alle Plätze belegte – was die Veranstalter wegen der Ferienzeit überraschte und erfreute.

Dass sein Programm horrend schwierig war, merkte man bei dem effektvollen Spiel überhaupt nicht. Kein Wunder, dass dieser Pianist trotz seines Alters so erfolgreich unterwegs ist und schon einen Lang Lang als Juror bei einem Klavierwettbewerb überzeugte.

Mozart statt Scarlatti

Im September will Kim bei dem Mozart-Wettbewerb in Aachen antreten. Und das war auch der Grund, warum er sein Programm kurzfristig änderte. Ursprünglich waren sechs Sonaten von Scarlatti angedacht, und man konnte, wenn man diesen Südkoreaner erlebt hat, schon bedauern, dass er nicht die subversiven Miniaturen Scarlattis zum Besten gab.

Doch Mozarts Klaviersonate KV 330 entschädigte, weil Kim hier zeigte, dass er drauf und dran ist, ein beachtlicher Mozart-Spieler zu werden. Sein Mozart klang unverzärtelt und hatte apollinische Klarheit, war ein Beispiel für musikalische Integrität, Noblesse, ja Understatement.

Der Rest war extremes Virtuosenprogramm, bei dem er sich mit der Klavierkonkurrenz messen musste, aber diesen Vergleich bestens bestand. Skrjabins zweisätzige Sonate Nr. 2 ging Kim mit großem Ernst an und zeigte sich den klavieristischen Anforderungen mehr als nur gewachsen. Sein Vortrag ist differenziert und seine Anschlagskultur delikat.

Dichtkunst am Klavier

Überhaupt scheinen technische Schwierigkeiten für ihn nicht zu existieren, weder in den berühmten Chopin-Etüden wie der Revolutionsetüde, bei denen er Feingefühl für diese Klavierdichtkunst bewies, noch in den Tonbildern von Franz Liszt wie „Mazeppa“ oder der Gespensterspuk-Etüde „Wilde Jagd“ aus den „Etudes d’exécution transcendante“.

Julian Kim erstaunt hier mit seiner enormen Fingerfertigkeit und spieltechnischen Griffsicherheit. Das ist alles technisch perfekt, rhythmisch prägnant, ein effektvolles Tastengewühle. Bei einem weiteren Reifeprozess wird dieses Ausnahmetalent sicher noch mehr hinter die Oberflächenbrillanz der romantisch-virtuosen Musik blicken.

Da stellte sich also ein Klaviervirtuose von morgen vor, der einen überwältigenden Eindruck auf die Zuhörer hinterließ.

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