Binzen Ein kleines Pferd erkundet die Welt

Alexandra Günzschel
Iris Keller mit dem Pferd „Verd“ bei einer szenischen Lesung zu den Abenteuern, die die beiden in Vechta zusammen erlebt haben. Unter dem Titel „Tour de Verd!“ ist jetzt auch ein Buch darüber erschienen. Foto: Alain Fleury/zVg

Interview: Puppenspielerin Iris Keller hat ein Buch über Mobilitäts-Projekt herausgebracht.

Binzen - Ein etwas anderes Buch zum Thema Mobilität hat Iris Keller aus Binzen herausgebracht. „Tour de Verd!“ ist romanhaft, aber auch ein „Roadbook“, es enthält Kurzgeschichten und Cartoons von Oliver Klauser-Scubulus zur Illustration – alles miteinander verflochten.

So jedenfalls beschreibt die freischaffende Künstlerin und Puppenspielerin ihr zweites Buch, das im Rahmen des Artists in Residence-Stipendiums der Stadt Vechta entstanden ist. Sechs Wochen hat sie sich dafür umgesehen, zusammen mit einem kleinen Pferd auf ihrer Schulter, das sie „Verd“ getauft hat. Mit Alexandra Günzschel hat sie über ihr Buchprojekt gesprochen.

Frau Keller, in „Tour de Verd!“ beschreiben Sie die Erlebnisse, die Sie zusammen mit einer kleinen Pferdepuppe hatten. Handelt es sich um ein Kinderbuch?
Nein, die Zielgruppe sind Erwachsene, vielleicht auch Jugendliche. Auch Puppentheater wird ja oft mit Kindern assoziiert. Dabei richten sich 80 Prozent meiner Stücke an Erwachsene. Auch sehr grausame Dinge lassen sich übrigens sehr gut mit Hilfe von Puppen ausdrücken. Ein Professor von mir hat immer gesagt: „Puppen sterben besser.“ Verd hat jedenfalls immer eine Portion Phantasie in seiner Satteltasche, die braucht es schon, um sich auf Figurentheater für Erwachsene einzulassen.

Wer oder was genau ist Verd?
Verd und ich haben das Buch zusammen geschrieben. Es ist zu hundert Prozent erfunden und zu hundert Prozent erlebt. Den Ausschlag hat das Künstlerstipendium der Stadt Vechta gegeben, in diesem Jahr zum Thema Mobilität. Ein blödes Thema, wie ich zuerst gedacht habe. Dann habe ich noch mal nachgedacht und bin auf das Pferd gekommen. Denn Vechta ist auch als Reiterstadt bekannt. Ich habe mich für ein kleines Pferd entschieden, weil ihm unsere beschleunigte Welt aus seiner Perspektive noch viel schneller erscheinen muss. Es hat sich viel getan, seit jener Zeit, als Pferde noch für Mobilität sorgten.

Wie ist es dann weitergegangen?
Verd und ich sind in Vechta spazieren gegangen und waren bei vielen Ereignissen dabei. Wir haben eine 92-jährige Frau im Altersheim besucht und haben mit einem Geschäftsmann gesprochen, der an 250 Tagen im Jahr unterwegs ist. Außerdem sind wir ICE gefahren. Wir haben uns auf die Spuren der Massentierhaltung begeben und sind darauf gestoßen, wie krass alles zusammenhängt. Aber auch ein Verlangen nach Langsamkeit haben wir festgestellt. Dazu haben wir eine Yoga-Lehrerin befragt. Verd ist dabei immer lebendiger geworden und hat auch viel mit den Leuten gesprochen.

Was erzählt Verd denn so?
Verd ist ein bisschen frech und gerade erst dabei, die Welt zu entdecken. Es erlebt alles zum ersten Mal und sagt deshalb, was es gerade denkt. Ihm fallen Dinge auf, die uns gar nicht mehr auffallen würden.

Ist das Buch nicht vor allem für die Einwohner von Vechta interessant?
Ein Freund von mir hat dazu gesagt, Vechta könnte auch auf dem Mond sein. Gemeint hat er damit wohl, dass Vechta auch ein fiktiver Ort sein könnte. Denn die Figuren sind stilisiert, stehen sozusagen pars pro toto für das Ganze, und auch die Geschichten über Mobilität könnten sich eigentlich überall abgespielt haben.

Gibt es ein Fazit aus Ihrer Vechta-Reise mit Verd?
Wir haben versucht, unsere Erlebnisse einzuordnen und waren am Schluss etwas ernüchtert. Es gibt so vieles, was in der Welt schiefläuft, und immer hat es mit Geld zu tun. Trotzdem haben wir auch sehr viel Menschlichkeit erlebt, haben mit den Menschen sehr intensiv gesprochen. Zum Beispiel mit dem Fahrer der Uni Vechta. Er hat uns von seinem Alltag erzählt, davon, wie er zu seinem Beruf kam, aber auch, wie er es schafft, dem Alltag zu entfliehen. Es empfiehlt sich, näher hinzuschauen, Menschen nicht gleich in eine Schublade zu stecken. Sie haben alle eine Geschichte.

Wie kam denn Verd bei den Leuten in Vechta an?
Verd war ein kleiner Star, alle kannten es. Wir hatten in Kooperation mit einer Tageszeitung eine regelmäßige Kolumne. Auf der Suche, nach dem, was Mobilität ausmacht, waren wir zusammen auf einem Techno-Festival, bei einem Basketballspiel, bei coolen Jungs mit coolen Autos, die gerne die Motoren aufheulen lassen und sogar im Frauengefängnis.

Und wie soll es jetzt weitergehen?
Nach zwei Aufführungen einer eigens entwickelten szenischen Lesung mit Koffertheater in Vechta und Basel hoffen Verd und ich, dass wir noch eine Weile zusammen unterwegs sein werden. Die nächste Aufführung in der Gegend ist im Frühjahr im Kesselhaus geplant.

  •  Das Buch „Tour de Verd!“ von Iris Keller ist im Geest-Verlag, Vechta, erschienen, ISBN 978-3-86685-697-4.

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