Binzen Eine Dekade als Rathauschef

Beatrice Ehrlich
Seit zehn Jahren im Amt: Binzens Bürgermeister Andreas Schneucker Foto: Beatrice Ehrlich

Interview: Andreas Schneucker spricht über Herausforderungen, Entwicklungen und Glücksmomente

Seit zehn Jahren ist Binzens Bürgermeister Andreas Schneucker inzwischen im Amt. Er hat die Entwicklungen in der Gemeinde dabei maßgeblich mitgestaltet.

Von Beatrice Ehrlich

Binzen. Was ihn an seinem Amt reizt, welche Herausforderungen es mitbringt und was ihm Binzen bedeutet, erklärt Schneucker im Gespräch mit unserer Zeitung.

Frage: Zum zehnten Mal hat sich in diesem Jahr ihr Amtsantritt als Bürgermeister gejährt. Wie ist es denn mit so einem Amt: Wächst man mit der Verantwortung?

Das Amt eines Bürgermeisters ist sehr erfüllend, weil man einen hohen Gestaltungsspielraum hat, mit den unterschiedlichsten Menschen agiert, die Ergebnisse jedem unmittelbar sichtbar sind und sich auch nie Routine einschleicht, weil ständig neue Themen und Aufgaben anzugehen sind, und das sieben Tage die Woche. Aus denselben Gründen ist es aber auch sehr herausfordernd und man wächst in der Tat mit den Jahren.

Frage: Im Rückblick: Mit welchen Gefühlen haben Sie damals Ihr Amt angetreten?

Mit Neugierde und Respekt vor vielen neuen Aufgaben. Ich bin sofort sowohl in der Bürgerschaft, dem Gemeinderat und auch in der Verwaltung sehr gut aufgenommen und unterstützt worden. Dafür bin ich auch heute noch dankbar. Meine jahrelange Erfahrung in den unterschiedlichen Verwaltungsbereichen der Stadtverwaltung Lörrach kam mir sehr zugute. Neugierde und Respekt zeichnen meine Arbeit(sauffassung) heute noch aus. Das ist auch gut so.

Frage: Die Arbeitsbelastung eines Bürgermeisters ist hoch, sodass viele es sich heute zweimal überlegen, ob Sie ein solches Amt übernehmen wollen.

In der Tat nimmt seit Jahren die Zahl der geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für ein solches Amt ab. Gelegentlich habe ich aus meiner Sicht geeignete Personen gefragt, ob sie nicht für ein Bürgermeisteramt kandidieren wollen. Die häufigste Grund für eine Ablehnung war, dass die Work-Life-Balance nicht stimme und überhaupt die Arbeitsbelastung viel zu hoch sei. Dabei sehen viele Menschen auch nur die Repräsentationsaufgaben eines Bürgermeisters. Die eigentliche Arbeit ist mit der Geschäftsführung eines Unternehmens vergleichbar.

Frage: Was hat Sie bis hierher getragen?

Zum einen die überaus professionelle Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gemeinde und beim Verwaltungsverband. Zum anderen ein konstruktiv-kritischer Gemeinderat, der auch bei Widerstand in Teilen der Bevölkerung bei einzelnen Themen seine Entscheidungen voll mitträgt. Des Weiteren viele engagierte Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich ehrenamtlich in sportlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht für das Wohl in unserer Gemeinde einsetzen und so eine „tolle“ Gemeinschaft pflegen.

Frage: Welche Ihrer Eigenschaften hat sich in Ihren Augen bewährt? Und welche Grundeinstellung?

Sicherlich sehr hilfreich war, dass ich an der Hochschule für Verwaltung studiert habe und viele Jahre bei der Stadt Lörrach Erfahrung in den unterschiedlichen Fachbereichen und als Führungskraft sammeln konnte. Wichtig ist, Vertrauen in die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, diese zu fordern und gegebenenfalls in Teilbereichen zu fördern. Ich denke, ich bin belastbar und kann auch neue Sachverhalte schnell erfassen. Da der Bürger ernst genommen werden will mit seinem Anliegen, ist es wichtig, ihn anzuhören und wert zu schätzen, auch wenn nicht immer alles in seinem Sinne ausgeht. Mein grundsätzlicher Optimismus, Vertrauen in die Bevölkerung und Werteverständnis hat mir sicherlich immer geholfen.

Frage: Was möchten Sie jüngeren Kollegen raten?

Es geht nichts über längere Berufserfahrung als Führungskraft und auch in verschiedenen Verwaltungsbereichen. Das ist insbesondere in kleineren Kommunen wichtig, wo der Bürgermeister noch vieles selbst erarbeiten muss. Quereinsteiger sollten sich bewusst sein, dass sie vieles schnell erlernen müssen und sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen. Kommunikation ist das A und O im Job, ebenso nah an den Bürgerinnen und Bürgern sein, gleichzeitig aber auch Grenzen setzen zu können, zum Beispiel ins Private hinein, was für mich auch immer ein Kraftquell war.

Frage: Was war die größte Herausforderung in Ihrer Amtszeit?

Die größte Herausforderung stellten die vielen Projekte dar, die wir in den letzten zehn Jahren zu bearbeiten hatten und regelmäßig eine 60 Stunden-Woche erfordern. Parallel waren die Flüchtlingskrise und die Corona-Pandemie zu bewältigen. Aktuell ist jetzt das Thema „Energieversorgung“ fordernd, sowohl finanziell für die Gemeinde als auch von der Versorgungssicherung. Die größte einzelne Herausforderung ist sicher die Konzeptvergabe für den Hof 1. Wir sind da bekanntlich mit dem Ukraine-Krieg und den damit verbundenen Konsequenzen wie der starken Steigerung der Baupreise und Zinsen oder mit gestörten Lieferketten konfrontiert, sodass es zurzeit schwierig ist, Investoren zu finden.

Frage: An was haben Sie sich „die Zähne ausgebissen“?

Dass es mit dem Lärmschutz an der A 98 nicht richtig weitergeht, ist sehr frustrierend. Durch einfache Maßnahmen wie etwa Tempo 100 ab der Anschlussstelle Kandern bis hinter die Behelfsausfahrt wäre ein deutlich bemerkbarer Effekt zu erzielen. Die zusätzliche Fahrtzeit von rund 30 Sekunden ist sicherlich für jeden Autofahrer verkraftbar.

Frage: Was ist gelungen, an welche beglückenden Momente erinnern Sie sich?

An einige gelungene Projekte, beispielsweise, dass wir den Bau des Musikerheims im Rathausareal verwirklichen konnten. Gleichzeitig haben wir diesen Bereich des Rathauses saniert und verschiedene Nutzungen ermöglicht. Auch dass der Bau des Kreisels am Westeingang von Binzen nun in Kürze beginnen wird, freut mich sehr. Dass wir durch Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes mitten im Ort mit einem Café und zwei Wohnungen eine Steigerung der Qualität in der Ortsmitte erreicht haben, freut mich sehr. Dies kommt sowohl bei unseren Bürgerinnen und Bürgern, aber auch bei den externen Besuchern sehr gut an. Dass wir mit dem Ebiker ein Fahrradgeschäft im Gewerbegebiet begrüßen konnten, hat mich sehr gefreut. Die rechtliche Situation hat die Ansiedlung zunächst nicht einfach gemacht. Ein sehr beglückender Moment war die Einweihung der Sportanlage, die mir schon einige schlaflose Nächte bereitet hat. Eine Investition von über sieben Millionen Euro ist auch für Binzen nicht einfach zu stemmen. Aber die einzelnen Schritte wie Grundstückskäufe, Änderung des Bebauungsplans und der Bau von (Kunst-)Rasenplätzen und dem Vereinsheim mit Gaststätte haben wir dann doch gemeinsam mit einem sehr konstruktiven Gemeinderat und den beauftragten Planern und Handwerkern gut hinbekommen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Vorstand des TuS war hervorragend.

Frage: Und was möchten Sie unbedingt noch vollenden?

Die Bebauung des Hofs 1 im Kandergrund und die Planung und Umgestaltung der Ortsmitte sind die beiden wichtigsten Themen für Binzen in den nächsten Jahren. Auch liegt mir sehr am Herzen, die Energieautarkie Binzens oder im Verbund mit den Bürgermeistern und Gemeinderäten innerhalb des Verwaltungsverbands Vorderes Kandertal voranzubringen.

Frage: Zwischen einem Bürgermeister und seiner Gemeinde entwickelt sich über die Jahre sicher so etwas wie eine enge Beziehung, oder?

In der Tat entwickeln sich im Laufe der Jahre hervorragende Kontakte, insbesondere zu den sehr engagierten Gemeinderätinnen und Gemeinderäten, ebenso wie zu den zahlreichen ehrenamtlich engagierten Personen in den Vereinen. Auch zu den Gewerbebetriebe entwickeln sich gute Beziehungen. All das ist eine wichtige Grundlage für eine konstruktive Arbeit in der Gemeinde zu Wohle der Bürgerinnen und Bürger.

Frage: Was bedeutet Ihnen Binzen?

Wilhelm von Humboldt hat mal gesagt: „Im Grunde sind es immer die Verbindungen zu Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“ Das kann ich für die vielen Bürgerinnen und Bürger nur unterstreichen. Binzen hat großes Potenzial, das auch meine Vorgänger immer gesehen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Dadurch haben sich die Gemeinde und der Gemeindeverwaltungsverband Vorderes Kandertal immer sehr gut entwickelt.

Frage: Wenn Sie nicht Bürgermeister geworden wären, welchen Beruf hätten Sie dann gern ausgeübt?

Eigentlich wollte ich nach meinem Abitur Förster werden. Leider hatte ich bei 200 Mitbewerberinnen und Mitbewerbern und nur 30 freien Stellen an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar keine Chance. Vielleicht lag es auch an einer der gestellten fachpraktischen Arbeiten. Den Bau eines Vogelhäuschen erledigte ich wohl suboptimal.

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