^ Binzen: Stimmungsvoll ins neue Jahr - Binzen - Verlagshaus Jaumann

Binzen Stimmungsvoll ins neue Jahr

Jürgen Scharf
Anna Zassimova klopft musikalisch-schwungvoll und leidenschaftlich an die Tür zum neuen Jahr. Foto:  

Das Silvesterprogramm für Binzen in der Reihe „Weltklassik am Klavier“ bringt eine Begegnung mit der Pianistin Anna Zassimova.

Stimmungsvoll mit Klassik, Romanik und Impressionismus geht das Jahr musikalisch zu Ende. Eigentlich kommen in diese Piano-Reihe „Weltklassik am Klavier“ aufstrebende junge Pianisten, die am Beginn einer Karriere stehen oder schon mittendrin sind.

Anna Zassimova ist da eine Ausnahme und längst eine andere Liga. Die in Karlsruhe an der Hochschule lehrende Russin ist eine gestandene Pianistin mit vielen Referenzen.

Gerade eben erschien von dieser hellhörigen, sehr sensitiven Interpretin eine neue Chopin-CD, eine der schönsten des vergangenen Jahres, die im Fachmagazin „Fono Forum“ mit fast fünf Sternchen ausgezeichnet wurde. Hochgelobt wird von der Musikkritik ihr „überwältigendes Gespür für die heiklen Eigenarten dieser scheinbar vertrauten Tonsprache“.

Dass Zassimova wirklich intelligent gestaltet, das hörten die 65 Zuhörer an diesem Silvesterabend - ein schöner Publikumserfolg für die Binzener Veranstalter. Und es war, wie der Programmtitel voraussagte, „Kein Platz für Firlefanz!“.

Zassimova, die in ihrer Anmoderation ihren musikalisch Ansatz noch vertiefte, begann ihr Recital sehr feinsinnig zwischen Lyrik und Erregtheit mit Schubert-Klavierstücken wie der schönen Ungarischen Melodie. Schon das waren eingangs funkelnde Preziosen, denen noch viele weitere folgen sollten.

Dabei konnte sich die Pianistin nicht an das ausgedruckte Programm halten, weil sie einen sehr verstimmten Flügel antraf. Für das kontrollierende Ohr einer mit dem absoluten Gehör gesegneten Pianistin ein kleines akustisches Horrorszenario. Aber das war das einzige Manko an diesem Abend vor dem Jahreswechsel.

Liszt, Schumann und Chopin im Angebot

Deswegen musste das Publikum auf Franz Liszts Petrarca-Sonett 123 aus den „Pilgerjahren“ verzichten, ein hochvirtuoses Tongemälde, das die Lagen des Instruments voll ausnutzt, die hohen Register ebenso wie harfenähnliche Akkorde – für Anna Zassimova unmöglich auf diesem Flügel zu realisieren.

Das konnte man verstehen und war wiederum glücklich, von ihr anstelle von Liszt Schumann und Chopin zu hören. Die relativ populäre „Arabeske“ op.18 von Robert Schumann spielte Zassimova in freundlicher poetischer Grundstimmung, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass am Ende dieses gefälligen Stückes ein Epilog steht, der dem der Kinderszenen ähnelt: „Der Dichter spricht“. Man konnte sich mit Zassimova in diese fantastische Sphäre versetzen lassen.

Porträts und Stimmungsbilder werden ausgebreitet

Die Pianistin phrasiert und atmet sehr natürlich, lässt die Zuhörer an der Frage teilnehmen, was denn Frederic Chopins Polonaise-Fantaisie As-Dur mehr sei: Polonaise oder Fantasie? Auch an dem Binzener Konzertflügel war die Grandiosität des Chopinschen Gestus in diesem harmonisch sehr speziellen Werk noch zu hören.

Eine klanglich edle Geste legt die Interpretin auch in das E-Dur-Nocturne von Gabriel Fauré, gespielt voller Subtilität. Es ist nicht so volkstümlich wie die Chopin-Stücke, aber Zassimova hat Fauré als echtes Anliegen vorgetragen.

Bei Fauré wie bei Debussy zeichnet sie Porträts und Stimmungsbilder. In den „Estampes“ von Debussy mit einer stimmungsvollen Anschlagskultur, technisch perfekt, textgenau, sensibel, feinfühlig und stets dezent, auf Details wie Farb- und Lichtwechsel bedacht.

Ein poetisches Stück sind die „Pagoden“ in ihrer balinesischen Anmutung, und eine wundervolle lyrische Stimmung zaubert sie in die „Soirée dans Grenade“ eines visionären Spanien des nicht viel gereisten Debussy.

Ihr Klavierrecital beschließt sie mit luzidem Klangbewusstsein in dem toccatahaften Klaviersatz „Jardins sous la pluie“. Bei dieser klangmalerischen Debussy-Musik mit ihren etwas verschwommenen Klängen, dem schönen Bewegungsspiel und den hübschen Kinderlied-Zitaten konnte der „impressionistisch“ klingende Hausflügel wieder Terrain gutmachen. Das Schumannsche Intermezzo aus dem „Faschingsschwank aus Wien“ spielte Anna Zassimova zum Schluss mit größter Energie und Leidenschaft für die Musik als Liebesgabe. Als Gabe für die Pianistin wurde ihr ein Binzener Weinpräsent überreicht.

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