Binzen Verkehrszählung und Flüsterasphalt

Christoph Schennen
147 Unterschriften hat die Binzenerin Andrea Grether für mehr Lärmschutz an der benachbarten A 98 gesammelt. Foto: Christoph Schennen

In Sachen Lärmschutz an der A 98 schlägt Binzen ein neues Kapitel auf

Eine Liste mit 147 Unterschriften hat Andrea Grether dem Binzener Bürgermeister im Gemeinderat übergeben. Die Unterzeichner fordern einen besseren Schutz vor Autobahnlärm.

Binzen - Vor der Übergabe der Unterschriften hatte Verwaltungspraktikantin Simone Hofmann die Historie der Lärmschutzwand noch einmal detailliert in Erinnerung gerufen (siehe Hintergrund). Zahlreiche Anläufe der Gemeinde zu deren Erhöhung oder Verbesserung hatten bisher keinen Erfolg.

Zuletzt hatte der Gemeinderat 2009 beschlossen, die bestehende Lärmschutzwand um einen Meter zu erhöhen und sie nach Osten um 270 Meter zu erweitern .

Doch dieser Beschluss wurde nicht umgesetzt, weil die gemessenen Lärmwerte laut dem Regierungspräsidium (RP) Freiburg die Maßnahmen nicht rechtfertigen würden. Das RP verwies auf den vorhandenen lärmmindernden Asphalt, der zwei Dezibel Lärmreduktion bringe. Nun bleibe noch die Aufbringung von Flüsterasphalt, der drei Dezibel Schall schlucke. 2019 wurde dies auch durch das Büro Fichtner bestätigt, wie aus dem Lärmaktionsplan hervorgeht.

Tempobegrenzung 2006 und 2011 abgelehnt

2011 lehnte das Landesverkehrsministerium eine Geschwindigkeitsreduktion für den Binzener Abschnitt der A 98 erneut ab. Im November 2011 genehmigte das RP der Gemeinde die Wand, wies aber darauf hin, dass sie diese bezahlen müsse. 2015 wurde festgestellt, dass Photovoltaik-Aufsätze, wie sie Bürgermeister Schneucker angeregt hatte, statisch nicht möglich seien.

Nach dem Vortrag von Simone Hoffmann gab es mehrere Wortmeldungen. Grether sagte: „Die Lärmschutzwand ist veraltet und kaputt und bringt so gut wie nichts.“ Sie las zwei E-Mails vor: Ein Bürger aus dem Luckeweg teilte ihr mit, dass er sich durch die Autobahn „extrem belästigt“ fühle. Im Sommer müsse er samstags ins Haus gehen, weil es draußen zu laut sei. Thomas Schneberger, der zweite E-Mail-Schreiber, unterstützt die Initiative ebenfalls.

Nicht ohne Grund nähmen die Erkrankungen des Nervensystems zu, so der Binzener Bürger. Viel Lärm verursachten außerdem die Laster, so Grether. Lastwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen dürften auf Autobahnen nur 80 Stundenkilometer fahren, entgegnete Schneucker. Grether berichtete außerdem vom Plan des Landesverkehrsministeriums, Böschungen und Lärmschutzwände entlang von Bundesstraßen und Autobahnen mit PV-Anlagen zu bestücken.

Verkehrszählung soll Abhilfe schaffen

Bürgermeister Schneucker kündigte eine Verkehrszählung an. Nadja Lützel (Unabhängige) fragte, ob man nicht auf Daten aus der letzten Verkehrszählung, die von der Fußgängerbrücke aus durchgeführt wurde, zurückgreifen könne. Dies verneinte der Bürgermeister.

Schneucker ist zuversichtlich, dass Daten aus einer Verkehrszählung die Behörden überzeugen könnten, dass Lärmschutzmaßnahmen für Binzen notwendig sind. „Die Verhinderung von Lärm hat einen großen Stellenwert bekommen“, sagte Schneucker. Würde man auf dem zwei Kilometer langen Autobahn-Abschnitt von Lucke bis Behelfsausfahrt Binzen das Tempo von 120 auf 100 Stundenkilometer reduzieren, hätte das eine Lärmminderung von drei Dezibel zur Folge. Sigurd Hagen (Freie Wähler) merkte an, die Einführung von Tempo 30 auf der Hauptstraße habe nicht viel gebracht. Die Gemeinde müsse überlegen, ob die Maßnahme noch tragbar sei. Andreas Schneucker erwiderte, dazu gebe es unterschiedliche Meinungen. „Tempo 30 mindert den Lärm und verbessert die Sicherheit“, stellte er fest. Regelmäßig würden Tempomessungen auf der Hauptstraße ausgewertet. Für ihn sei sicher, dass „Tempo 30“ eine sinnvolle Maßnahme für Binzen sei. „Zurück wollen wir das nicht mehr.“

Alice Bucher (Bürgerliste) forderte eine Erhöhung und eine Verlängerung der Wand. Einstimmig wurde der Bericht von Simone Hofmann zur Kenntnis genommen und die Gemeindeverwaltung damit beauftragt, eine detaillierte Verkehrszählung durchführen zu lassen. Außerdem ist bei der zuständigen Behörde ein Antrag auf Temporeduktion und Aufbringung eines offenporigen Belags (Flüsterasphalt) zu stellen. Es soll auch geprüft werden, welche Verbesserungen an der Lärmschutzwand möglich wären, ohne dass andere Bereiche, etwa der Ort Ötlingen, von zusätzlichem Lärm getroffen werden.

Die lange Geschichte einer Wand

Erstmals hatte der Gemeinderat im Dezember 1991 beschlossen, dass Binzen eine Lärmschutzwand braucht. 1995 wurde diese auf Kosten des Bundes errichtet. 1996 stellte man in Binzen fest, dass die Wand mit zwei Metern einen halben Meter niedriger ausfiel als in den Planunterlagen festgelegt. Beim Autobahn-Betriebsamt Freiburg wurde eine Erhöhung beantragt. Die Behörde lehnte das mit Verweis auf Lärmmessungen ab. Binzen klagte dagegen: vor dem Verwaltungsgericht Freiburg, später vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – jeweils ohne Erfolg. 2005 erfolgte der nächste Anlauf: Die Gemeinde beauftragte das Büro List (Haltingen) mit Schallmessungen. Es stellte fest, dass tagsüber (6 bis 22 Uhr) der Grenzwert von 59 Dezibel in Binzen nicht überschritten werde, der nächtliche Grenzwert in nahegelegenen Wohnbereichen hingegen schon – um bis zu fünf Dezibel. Alle Werte lagen aber unter dem „Sanierungsschwellenwert“ von 60 Dezibel. 2006 lehnte das Regierungspräsidium Freiburg (RP) den Antrag der Gemeinde auf Geschwindigkeitsreduktion auf Tempo 80 für Autos und Tempo 60 für Lkws ab. 2009 stellte die Firma Fichtner Water & Transportation (Freiburg) fest, dass die Lärmschutzwand um zweieinhalb Meter erhöht werden müsse, um die Grenzwerte der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung im mittleren Bereich der Wand einzuhalten.

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