Blansingen Pilger genießen die Aussicht übers Land

Ines Bode
Die Türen des Pfarrhauses öffnen sich auch in diesem Sommer wieder für Pilger: Susanne Teichmanis empfängt Michael Flore aus dem Raum Stuttgart. Foto: Ines Bode

„Vegetarisch bitte“: Im Blansinger Pfarrhaus dürfen Fremde beim Abendessen mitreden – vor allem, wenn man zu jenen gehört, die unterwegs sind. Auch diesen Sommer öffnet die Familie Teichmanis ihre Wohnstatt für Pilger des Himmelreich-Jakobuswegs.

Der Gartentisch hinter dem Haus ist gedeckt, den weiten Blick übers Land gibt’s umsonst und darüber hinaus die Übernachtung mit Wunschkost. Im jüngsten Fall Gemüse-Lasagne; der Gast habe vorgewarnt. Das Ehepaar Teichmanis bewohnt seit geraumer Zeit das schöne alte Haus auf dem Hügel. „Pfarrer sind wir jedoch nicht“, sagt Susanne Teichmanis. Aber man bringe sich gern ein in der Gemeinde. Dazu gehört auch die Gastfreundschaft für die Pilger des Himmelreich-Jakobuswegs.

Die Strecke führt von Weil nach Hüfingen. Darüber hinaus wurde vor rund einem Jahr die Blansinger Peterskirche offiziell zur Pilgerstempelstätte ernannt – mit Stempel versteht sich. Das Signet, zwei Schlüssel in Gestalt eines Kreuzes, empfängt jeden Besucher auch an der Pfarrhaustür. In Höhe Schliengen-Bad Bellingen findet sich der dritte Wegabschnitt, konkret die zweite Etappe. Sie gilt als Strecke mit wenig Verkehr, die kaum Steigungen besitze. Der Pilger marschiert durch Wiesen, Wein- und Ackerlandschaft mit herrlicher Aussicht aufs Elsass, Vogesen und die Rheinebene.

Später Glücksmoment

Der gute alte Rhein ist das Stichwort für den neuen Gast des Pfarrhauses: Er habe lange Ausschau gehalten, um ihn erst vom Golfplatz Bad Bellingen und später von der Kapelle Bamlach aus zu sichten. Da hatte er das Tagespensum fast geschafft, berichtet Michael Flore. Seit Samstag sei er unterwegs, so der 45-jährige zweifache Familienvater, der aus dem Raum Stuttgart stamme. Den scheinbar omnipräsenten Rhein nirgendwo zu erspähen, war ein wenig enttäuschend. Dann kam der Glücksmoment.

Die Natur biete viele davon. So beobachtete er etwa den roten Milan, den Falken oder ein Hasenpärchen. Friedliche Bilder in heutiger Zeit. Von alledem lasse er sich gern überraschen. Daher müsse sein Pilgerweg nicht mit Sehenswürdigkeiten punkten. Die Natur, sprich Berge und Täler, sorgt für Punkte genug. Er sei oft überrascht, freut sich der Mittvierziger. Das hängt wohl damit zusammen, dass er im Vorab keine Erwartung aufbaut. „Die Sache mit der Vorstellung und der Wirklichkeit“, wie er es ausdrückt.

Beruflich arbeitet er als Fachkrankenpfleger in der Psychiatrie. Mitunter sei er sieben Tage am Stück eingespannt. Dann folge viel Freizeit, die er gern als Pilger verbringe. Gläubig sei er eigentlich nicht. Die Pilgerwege schätze er ganz allgemein wegen der Übersichtlichkeit, man könne sich gut orientieren und vor allem planen.

Einiges kann schieflaufen

Denn das Pilgern will gelernt sein, zum Beispiel hinsichtlich Übernachtung. Ungezählte Reiseberichte zeugen davon, was schieflaufen könne. Die Wahl seiner Pilgerroute, es gibt südlich von Stuttgart eine ganze Handvoll, hing mit dem Zeitplan zusammen, so Flore. Er wollte von Freiburg nach Basel laufen.

Angefangen hatte diese Passion vor fünf Jahren. Nach dem plötzlichen Tod des Onkels, dem er nahestand, fiel er in ein Loch. Es trieb ihn sozusagen raus ins Freie. Damals sei er im Schwarzwald unterwegs gewesen. Plötzlich befand er sich im Gewühl vieler Menschen. „Ich bin in einen Weihnachtsmarkt geraten. Das habe ich kaum ausgehalten“. Heute geht es ihm gut. Auch wegen der neuen Leidenschaft. Mitunter pilgere er gar parallel, berichtet er. Mit Freunden werden Routen absolviert. Zudem sei er eben gern allein.

Zur Frage, ob die Pilger eigentlich ins Gespräch kommen, schmunzelt er: Wie sehen die denn aus? Man erkenne einen Pilger nicht unbedingt. Und zur Frage, wie man den Kopf die ganze Zeit beschäftige, erklärt er: Man widme sich der Landschaft, da gebe es viel Abwechslung. Ziel sei, den Kopf frei zu bekommen.

Wandern in fünf Tagen

25 Kilometer laufe er am Tag, und dass, obwohl Sport nie sein Ding gewesen sei, wie er lacht. Am nächsten Tag gehe es nach Rümmingen – erneut mit Übernachtung, und dann nach Basel. Nach fünf Tagen in der Fremde freue er sich auf seine Familie, die habe Verständnis für seine Touren als Pilger.

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