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Bluesfestival in Schopfheim Zwei Frauen geben alles

Kathryn Babeck
Justina Lee Brown interagierte intensiv mit dem Publikum. Foto: Kathryn Babeck

Der Verein Exbluesive holt Lilly Martin und Justina Lee Brown für das siebte Dreyland-Bluesfestival in den Stadtgarten. Es ist ein Abend, der lange nachklingt.

An diesem Spätnachmittag brennt die Sonne über Schopfheim mit seinen zahlreichen verwinkelten Innenhöfen und kleinen Vorgärten. Gegen 18 Uhr beginnt der Soundcheck, Bässe, Gitarrenläufe und Rhythmen dringen zur Hauptstraße. Im Stadtgarten sitzen im Schatten unter großen Platanen bereits die ersten Besucher. Der Park füllt sich mehr und mehr.

Kubanische Wurzeln

Pünktlich um 19 Uhr steht Lilly Martin auf der Bühne: eine schöne Frau mit dunklem, lockigem Haar. An diesem Abend trägt sie lange silberfarbene Ohrringe, ein schwarzes, enganliegendes Kleid und Cowboystiefel. Über das Kleid hat sie einen leuchtenden, goldgelben Fransen-Poncho, der mit Rosen durchwirkt ist, gezogen. Sie zieht unweigerlich alle Blicke auf sich.

Begleitet wird Martin von ihrer Schweizer Band. Am Keyboard spielt Michael Dolmetsch, an der Gitarre der junge Musiker Dominic Schoemaker, diesmal hat er eine rote Gibson dabei. Martin fällt durch Gelassenheit und großer Eleganz auf, ihre Stimme ist kraftvoll, emotional und klar. Die Mitglieder ihrer Band sind musikalisch genauso ausdrucksstark. So gibt es bei diesem Auftritt nicht eine Frontfrau und die Band, sondern alle Musiker begeistern und faszinieren das Publikum gleichermaßen mit eindringlicher Soul- und Blues-Musik.

Spät auf der Bühne

Lilly Martin ist in New York geboren und stammt aus einer kubanischen Musikerfamilie. Sie ist in dem Künstlerviertel Greenwich Village aufgewachsen. Mittlerweile wohnt sie in der Schweiz. Auf ihrer Homepage ist zu lesen, dass sie erst mit 40 Jahren angefangen hat, ernsthaft Musik zu machen. Davor hat sie ihre Zeit ihren Kindern gewidmet. Die erste Platte erschien, als sie über 50 war. 2020 hat sie den schweizerischen Bluesaward gewonnen. Ihr aktuelles Album heißt „Lookout“, was so viel bedeutet wie: von innen nach außen schauen, oder einfach gesagt, den Blickwinkel ändern. Mittlerweile geht Martin auf die 70 zu, was man ihr bei dem Konzert nicht im Geringsten ansieht. Fast zwei Stunden dauert der Auftritt. Eigenkompositionen wie „Waiting For The Fog to Lift“ oder „Down For The Heal” sind zu hören, aber auch Stücke anderer Künstler wie „Kissing My Love“ von Bill Withers. Mit dem Publikum kommuniziert sie zurückhaltend, was einen eigenen Reiz hat. Und zugleich merkt man, dass sie und die gesamte Band viel Freude haben, miteinander solide Bluesmusik zu spielen.

Von ganz unten

Ein gelungener Kontrast ist der Auftritt von Justina Lee Brown: Eine Frontfrau, die mit ihrer ebenfalls ausgezeichneten Band die zweite Hälfte des Abends bestreitet. „Kommt näher. Ich will euer Gesicht sehen. Ich will eure Energie spüren“, sagt Brown gleich nach dem ersten Stück. Intensiv beginnt die in Nigeria geborene Frau mit dem Publikum zu interagieren.

Ihr drittes Stück heißt „Crossfire“. Es ist ein Lied von ihrer Familie, wie sie sagt. Offen spricht sie über ihr Leben. Sie hat als Kind in der 16-Millionen-Stadt Lagos mit ihrer Mutter auf der Straße gelebt, konnte kaum die Schule besuchen, wusste oft nicht, wie das Leben weiter geht.

Unglaubliche Begabung

Auf der Bühne singt sie auch in Igbo, ihrer Muttersprache, dann hört man feine, hohe Töne in einem schönen Englisch. Beim Zuhören wird klar, dass sie es vermutlich nur durch ihre unglaubliche Musikbegabung und ihre Willensstärke geschafft hat, aus dem Slum herauskommen. Heute kann sie mit ihrer Musik ihre Geschwister und Eltern unterstützen.

Ihre Wut, ihre Traurigkeit, ihre Verletzungen setzt sie in Musik um. Sie boxt, ballt die Faust, kreist mit der Hüfte, tritt, springt in ihrem blumenbedruckten Hosenanzug und den schwarzen Stöckelschuhen in die Höhe. Immer wieder vergewissert sie sich, dass das Band mit den Mauri-Muscheln noch auf ihre Stirn fällt.

Manche Sequenzen des Konzerts und vor allem das begeisterte Publikum filmt sie während des Singens mit dem Smartphone. Ihrer Mutter will sie zeigen, wie begeistert die Menschen sind. Erzählt sie von ihrer Geschichte, kann sie ihre Tränen nicht zurückhalten.

Auch will sie immer wieder wissen, ob das Publikum Stücke aus dem Album „black & white feeling“ kennt. Darin geht sie der Frage nach, was „zuhause sein“ für sie heißt. Einerseits ist es Afrika, anderseits auch wieder nicht. Nur auf der Bühne fühle sie sich wirklich zuhause, dort gebe es keine Ausgrenzung, keinen Rassismus, keine Unterschiede, sagt Brown.

Ein Erinnerungsfoto

Seit Jahren lebt Brown in Baden in der Schweiz. Mittlerweile gehört sie zur Weltklasse des Blues. In London hat sie den „Woman in Entertainment Award“ als „Best African Female Voice“ gewonnen. Im Jahr 2020 reiste Brown mit Band zur International Blues Challenge nach Memphis, der Wiege des Blues, und kam ins Halbfinale. 2022 erreicht sie in Malmö bei dem European Blues Challenge den zweiten Platz.

Die biografischen und künstlerischen Parallelen zu Tina Turner drängen sich an diesem Abend auf und sie selbst zieht auch diese Parallele: Zu Ehren der großen Sängerin singt sie für das jubelnde Publikum „Nutbush City Limits“. Zum Schluss holt sie die Mitglieder des Vereins Exbluesive, ein paar Leute aus dem Publikum und Kinder für ein Abschiedsfoto auf die Bühne. Sie mahnt, jeder solle eine CD kaufen, der Erlös gehe an Kinder, an Mädchen in Afrika.

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