^ Bodenseedurchquerung: Weitermachen, Zug um Zug - Schopfheim - Verlagshaus Jaumann

Bodenseedurchquerung Weitermachen, Zug um Zug

Anja Bertsch
Kilometerweit nur Wasser – und die Extremschwimmer mittendrin: Patricia Springmann, hier begleitet von ihrem Vater Thorsten, auf dem Weg von Friedrichshafen nach Romanshorn. Foto: zVg

11,4 Kilometer, knapp 4,5 Stunden: Mit der Durchquerung des Bodensees an seiner breitesten Stelle zwischen Friedrichshafen und Romanshorn hat die 13-jährige Patricia Springmann eine Rekordleistung vollbracht.

Tatsächlich ist die Sportlerin aus Hausen die zweijüngste Schwimmerin, die diese Herausforderung jemals gemeistert hat – mit herausragender körperlicher Fitness und schier unbändiger Willenskraft, die sie aller Erschöpfung, allen Zweifeln unterwegs und allen Krämpfen kurz vor Schluss zum Trotz ins Ziel gebracht haben.

Eine Woche später blickt Patricia – immer noch am Bodensee, mittlerweile aber im ruhigeren Teil des Familien-Campingurlaubs angekommen – schon wieder reichlich gelassen auf das Geschehen zurück. Der Körper hat sich von den Strapazen erholt, die Stimmung ist ferien-entspannt – und der Bodensee war in den letzten Tagen nur zum Abkühlen, sicher nicht zum Schwimmen da, erzählt sie schmunzelnd.

Foto: zVg

Familiäre „Vorbelastung“

Sind schon die schieren Dimensionen – über elf Kilometer Strecke, exakt vier Stunden und 25 Minuten ohne eine einzige Pause – eine echte Marke, so bringt der Faktor „Freiwasserschwimmen“ nochmal zusätzliche Herausforderungen: Für den Schwimmer gilt es, gegen – beziehungsweise mit – Strömung, Wind und Wellen den eigenen Rhythmus und die eigene Route zu finden. So ganz feststehend ist denn beispielsweise auch die Distanz nicht, die ein Schwimmer zwischen zwei Zielpunkten am Ufer zurücklegt, und vor allem ist die Zeit an unterschiedlichen Tagen nicht unbedingt vergleichbar, je nach äußeren Umständen. Trotzdem bleibt für Patricia der Triumph im innerfamiliären Sportlerwettstreit: „Ich war schneller als der Papa“, strahlt sie.

Der nämlich hat als passionierter Schwimmer die Strecke selbst schon mehrmals absolviert, hatte gerade eine Woche zuvor mit acht Kollegen aus der Schopfheimer DLRG die 2,5 Kilometer von Wallhausen nach Überlingen durchschwommen und überhaupt hat er die Lust am Extremsport in die Familie gebracht. Durchaus also eine familiäre „Vorbelastung“ – die dann eben auch mal zu klaren Ansagen des schwimmenden Nachwuchses führen kann: „Was Du kannst, schaff’ ich auch“, hieß es da auf einmal.

Vorbereitung im Freibad

Geschwommen also wird im Hause Springmann buchstäblich von Kindsbeinen an. Erste Erfahrungen in Sachen Freiwasserschwimmen sammelte Patricia dann vor zwei Jahren im Alter von elf Jahren bei der Überquerung des Zürichsees über 2,5 Kilometer. Mit dem intensiven Training habe man dann etwa drei Wochen vor dem Termin im Schopfheimer Freibad begonnen, berichtet Thorsten Springmann. Einmal ging es dabei über immerhin 6,5 Kilometer – auf die Dimension eines Otto-Normal-Schwimmers heruntergerechnet: 130 Bahnen. Die komplette Distanz aber, um die es im Bodensee gehen würde, hatte Patricia bis zum „Ernstfall“ noch nie absolviert.

Start vom Campingplatz

Gestartet hatte der Tag für die Sportlercrew morgens um 5 Uhr: Vom Campingplatz in Wallhausen bei Konstanz ging es auf die andre Seite des Sees nach Friedrichshafen. Treffen mit den Organisatoren vom Verein Bodensee Open Water, die derlei Seeüberquerungen für Einzelsportler wie für Gruppen des Öfteren organisieren. Wettkampfanzug, Badekappe und Schwimmbrille an, die Signalboje am Körper befestigt – und los. „Ein paar Tage vorher und auch direkt vorm Start war ich schon ein bisschen nervös“, erzählt Patricia – „dann hab ich mir aber nicht mehr groß einen Kopf gemacht und bin einfach geschwommen.“ Zug um Zug, Kilometer um Kilometer, Stunde um Stunde.

Den Kopf ausschalten

Irgendwann zwischendurch kam dann die Krise, mit der man einfach rechnen muss, wie Thorsten Springmann aus eigener Erfahrung weiß: Eineinhalb, zwei Stunden seien „ohne Probleme machbar“, sagt er – „dann kommt der Kopf und zweifelt.“ In dem Moment helfe nur, den Kopf wieder auszuschalten und weiterzumachen – „ein Armzug nach dem anderen“.

Vater Thorsten Springmann unterstützte vom Begleitboot aus. Foto: zVg

Und genau so war’s denn auch bei Patricia. „Ich dachte wirklich mal, ich höre auf“, erzählt sie. Geholfen hat in dem Moment der Gedanke an die, die am anderen Seeufer auf sie warten: Mama, große Schwester, Freunde. Ebenfalls geholfen hat, Papa Thorsten mit ins Boot – oder eben besser raus aus dem Boot – zu holen: Der war im Begleitboot ohnehin die ganze Zeit an Patricias Seite – und schwamm dann auf ihren Wunsch eine Weile lang neben ihr her, um ihr Motivation zu spenden. Ansonsten unterstützte er sie aus dem Begleitboot heraus – mental ebenso wie mit Getränken und kleinen Snacks. Das ist übrigens keineswegs gleichbedeutend mit Pause: „Um einen Schokoriegel zu essen, schwimmt man eben so lange in Rückenlage“, erzählt Patricia.

Endspurt trotz Krämpfen

Neben dem Kopf freilich gibt’s auch den Körper – und der meldet sich bei einer solchen Beanspruchung unweigerlich auch irgendwann. Krämpfe in Beiden und Armen begleiteten Patricia die letzten Kilometer. Auch da hat sich sich durchgebissen – und am Ende kraulend sogar noch einen echten Endspurt hingelegt – von den am Ufer Wartenden stimmkräftig unterstützt: „Das war schon sehr emotional“, erinnert sich Mutter Melanie an diese Momente. Wobei: „Patricia kam raus, als wenn nicht gewesen wäre“. Was folgte, waren dicke Umarmung von Mama und dem ganzen Empfangskomitee, ein kurzes Abhocken, eine Schokosahnerolle vom Strandbadkiosk und dann – wie bei Sportlern eben üblich – direkt das Interview mit dem Fernsehen, das die Rekord-Aktion hautnah begleitet hatte.

Und nun? Neue Extremleistungen im Blick, neue Rekorde in Sicht? „Ich habe mir eigentlich noch nichts vorgenommen“, sagt Patricia. Einfach normales Schwimmen und Trainieren eben – am Sonntag vielleicht nochmal im Schopfheimer Freibad, ab Montag im Maulburger Hallenbad, wo Patricia, ebenso wie ihr Vater und ihre ältere Schwester Franziska als Trainer aktiv sind. Und im kommenden Jahr dann sicher mal wieder irgendwo draußen.

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